Lernen ist ein ständiges Neuprogrammieren unseres Gehirns. In seinem Gastbeitrag erklärt WIFI-Trainer Günther Thaler, wie gehirngerechtes Lernen funktioniert und welche 10 Zutaten es für ein erfolgreiches Lernkonzept braucht.
Erfolgreiches Lernen ist wie das Genießen eines Gourmet-Menüs in einem eleganten Restaurant oder das sinnliche Lauschen eines Konzerts dargeboten von den Wiener Philharmonikern im Goldenen Saal des Musikvereins. Es kommt auf die perfekte Kombination und die besonderen Zutaten/Musiker an, dann wird es ein außergewöhnlicher Genuss, an den man sich gerne noch lange danach erinnert.
Lernen ist ein ständiges Neuprogrammieren unseres Gehirns und damit ein nicht zu unterschätzender Energie- und Arbeitsaufwand. Wenn wir uns bewusstmachen, wie unser Gehirn funktioniert, dann können wir unser Lernsystem und unsere Lernstrategie entsprechend adaptieren und optimieren. Schlagwort: Gehirngerechtes Lernen. Wie so ein gehirngerechter Lerncocktail aussehen sollte und wie so ein Mix in der (Seminar-) Praxis gestaltet werden kann, zeigen die folgenden 10 Methodentipps.
Zehn Zutaten für ein erfolgreiches Lernkonzept
1. Neugier und Belohnung
Der limbische Teil unseres Gehirns nimmt beim Lernen eine besondere Funktion ein. Interesse am Neuen, Belohnung – etwa durch Erfolg – und das Ausleben von Emotionen spielen dabei eine wichtige Rolle. Das sind die idealen Voraussetzungen für eine dynamische, intrinsische Motivation fürs Lernen. Wenn ich etwas Neues entdecke, wenn ich was Neues erfolgreich anwenden und dabei ein Glücksgefühl erleben kann, dann lerne ich freiwillig und gerne. Bestes Beispiel sind Kinder im Kindergartenalter, wenn sie enthusiastisch pfeifen üben, schnitzen oder Radfahren lernen. Nichts kann sie dabei bremsen, denn: Sie wollen etwas unbedingt lernen, um es zu können.
Neugier ist eine wichtige intrinsische Motivation zum Lernen!
2. Aktive Mitarbeit
„Wer fragt, führt!“, ist nicht nur eine allgemeine Binsenweisheit, sondern auch ein perfektes Mittel, um die Lernenden zum aktiven Mitdenken zu animieren. Jede Frage fordert unser Denken heraus. Wir wollen eine Antwort geben. Bei der Suche nach der Antwort, überprüft unser Gehirn nach bereits abgespeicherten Informationen oder zumindest passenden Ähnlichkeiten. Diese Aktivierung ist ein wichtiges Element beim Lernen. Wir bauen gerne auf bereits Bekanntem auf und fügen dann das Neue hinzu.
Ein Lehrgespräch, bestehend aus Fragen an die Lernenden, ist perfektes Gehirnjogging, eine ideale Vorbereitung fürs Lernen!
3. Lernen mit allen Sinnen
Die Wahrnehmung der Umwelt über unsere Sinne manifestiert die Transformation in unser Gehirn. Je mehr Sinne in den Lernprozess mit einbezogen werden, umso effektiver ist das Lernen. Wenn der Lernstoff visuell, auditiv und möglichst auch kinästhetisch aufbereitet und übermittelt wird, ist die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Aufnahme und Speicherung von Information am größten. Wobei beim kinästhetischen Element sowohl das Greifen und Spüren als auch weitergehende Körperbewegungen (dazu mehr im Kapitel Bewegung) verstanden werden sollen.
Erfolgreiches Lernen umfasst: Sehen, Hören und Ausprobieren!
4. Abwechslungsreiches Lernen
Der limbische Teil unseres Gehirns schaltet auf „stand by“, sobald etwas langweilig oder monoton wird. Interessante Informationsvermittlung mit wechselnden Medien, Methoden, Aktivitäten und Geschwindigkeiten ist gefragt. Wobei das nicht ein wahlloses Durcheinander an Ereignissen bedeutet, sondern eine wohldurchdachte, strukturierte und teilweise gleichbleibende Abfolge von didaktischen Elementen. Die Dauer dieser einzelnen Elemente sollte nicht länger als 10 bis 20 Minuten betragen.
Abwechslungsreiches Lernen hält unser (limbisches) Gehirn wach!
5. Unlogisches plausibel machen
Wenn wir etwas nicht verstehen, wenn etwas für uns unlogisch erscheint und wenn uns der Zusammenhang fehlt, macht Lernen keinen Spaß. Es ist wie das Steine Rollen von Sisyphos und bringt uns der Verzweiflung nahe. Das Erlernen der Tastatur ist so ein Beispiel. Die Verteilung der Tasten erscheint unlogisch und das Erlernen des 10-Fingersystems war bisher immer sehr mühsam. Um das richtige Tippen zu erlernen, ist das Erlernen der Tastenverteilung essentiell.
Wenn hingegen die Buchstaben auf den Tasten durch Bilder ersetzt und in einen neuen, nun logischen Zusammenhang gebracht werden, erscheint plötzlich alles einfach und plausibel. Und das Erlernen wird im wahrsten Sinn des Wortes kinderleicht. (Mit dieser Methode habe ich beispielsweise innerhalb einer Woche Katakana, die japanische Schrift lesen gelernt.)
Mach unlogische Systeme plausibel und Lernen wird kinderleicht!
6. Lernen mit Bildern und Farben
Wie merken sich kleine Kinder, die weder lesen noch schreiben können, Märchen?
Wenn Gedächtniskünstler sich schnell und viel merken wollen, dann wenden sie verschiedenen Mnemotechniken an: Zum Beispiel die Loci-Technik, Mindmaps, Flashcards oder die Assoziationstechnik. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Ein Bild kann man sich leichter merken, als einen Buchstaben oder ein abstraktes Wort. Wenn ich also Buchstaben mit einem Bild assoziiere und zusammenhängende Bilder in eine Geschichte verknüpfe, ist das Erlernen z.B. der Buchstabenverteilung auf der Tastatur erstaunlich einfach. Wenn dann die Bilder und Geschichten auch noch eine Farbe zugeordnet bekommen, hilft das enorm und ist ein zusätzlicher Booster.
Übrigens: Kleine Kinder merken sich Märchen, in dem sie sich Geschichten bildhaft vorstellen.
Mach einen Film in Farben für den Kopf und Lernen gelingt spielerisch leicht!
7. Lernen ohne Stress
Am leichtesten lernen wir, wenn wir stressfrei und entspannt sind. Stress, eine natürliche Reaktion unseres Körpers, erzeugt Muskelverspannungen, Konzentrationsprobleme und blockiert den Kortex, jenen Teil unseres Gehirns, in dem das Langzeitgedächtnis verankert ist. Aber gerade diesen Teil unseres Gehirns benötigen wir beim Lernen und beim Abrufen des Gelernten, wie zum Beispiel bei Prüfungen.
Daher Antistressprogramm einschalten: Aufrecht sitzen, Füße am Boden, Hände auf die Oberschenkel, alle Muskeln entspannen, tiefe Bauchatmung, Augen schließen, Gedanken zur Ruhe kommen lassen, beruhigende Musik hören UND die Informationen hören, die gelernt werden sollen. Das wird auch als Alpha-Zustand bezeichnet. Das Gehirn arbeitet klar und der Geist ist frei. Man kann sich besser konzentrieren und effektiver lernen.
Entspannt im Alpha-Zustand: Lernen, wie im Schlaf!
8. Bewegen, bewegen und noch einmal bewegen!
Wer sich bewegt, aktiviert die motorischen Zentren des Gehirns, die eine wesentliche Rolle spielen, wie Information verarbeitet und gespeichert wird. Unser Gehirn braucht Sinnesreize und ausreichend Sauerstoff um optimal zu funktionieren. Beides wird durch Bewegung gefördert und führt zu einer Steigerung der Hirnaktivitäten und damit zu höherer Leistungsfähigkeit.
In einer idealen Lernumgebung werden in jeder Lerneinheit mindestens 10 Minuten Körperübungen gemacht. Die Lernenden sitzen auf Balancekissen, oder Sitzbällen, Wiederholungen des Lerninhalts werden mit Ballübungen verknüpft, Merkübungen werden mit der Hand geschrieben und Kaugummikauen ist erlaubt.
Übrigens: die beste Wirkung kann erzielt werden, wenn Entspannungs- und Bewegungsübungen aufeinander folgen.
Bewege dich und du bist erfolgreich beim Lernen!
9. Freude am (erfolg-reichen) Lernen
Wenn Lernen Freude und Spaß macht, lernt jeder gern. SPASS (steht für: selbstgesteuert, produktiv, aktivierend, situativ, sozial) ist die Quintessenz im LENA-Lernkonzept des WIFIs.
Freude entsteht bei jedem Lernerfolg. Jede Übung, die gemeistert wird, ist ein Motivationsschub. Jedes erfolgreiche Merktraining, ist ein motivierender Meilenstein. Jedes konstruktive Feedback durch die TrainerInnen, ein Grund zum Weiterlernen. Wenn ich nach der ersten Lerneinheit mit meinem erworbenen Wissen bereits meine neuen Fähigkeiten praktisch erproben kann, fühle ich mich positiv bestätigt und motiviert für das Nächste.
Erfolg beim Lernen macht Freude und motiviert zum Weiterlernen!
10. Wiederholungen sollen spannend sein
Wir wissen alle, dass Wiederholungen notwendig sind, um uns etwas dauerhaft zu merken. Wiederholungen sind aber meist langweilig und monoton. Die Herausforderung ist also, die Wiederholungen so abwechslungsreich zu gestalten und so unterschiedlich zu formulieren, dass die Lernenden gar nicht merken, dass es sich um eine Wiederholung handelt.
Bei der Analyse der meisten Lernschritte ergibt sich oft ein bestimmtes, zum Teil unterschiedliches Muster. Vom Allgemeinen zum Speziellen, von links nach rechts, vorne und hinten. Wenn ich bei den Wiederholungen alle denkbaren Richtungen des Merkvorgangs trainiere, dann sind Wiederholungen immer wieder neu oder werden zumindest so empfunden. Die abgespeicherte Information kann damit auch aus unterschiedlichen Perspektiven abgerufen werden. Damit wird Lernen wirklich nachhaltig.
Die Kunst ist: Wiederholungen so zu gestalten, dass sie nicht auffallen, sondern immer wieder als neu erscheinen!
Sollten Sie sich jetzt fragen, wie kann man das alles praktisch umsetzen? In geballter Form und alles in einem Seminar? Geht das? Ein gutes Beispiel für die Umsetzung in die Praxis ist das Tipp Topp Tipp Training, mit dem Sie das 10-Fingersystem lernen.
Am Anfang gab es diese Herausforderungen:
• Die Verteilung der Tasten ist kompliziert und folgt keiner Logik.
• Mit der bisherigen Lehrmethode wurde über die Motorik unterrichtet.
• Das Lernen war mühsam und langweilig.
• Das Lernen dauert lange (rund ein halbes Jahr in der Schule).
Durch den Einsatz des oben beschriebenen Methodenmix ist Folgendes gelungen:
• Durch die angewandte Merktechnik ist das Lernen einfach
• Es wird entspannt und mit allen Sinnen gelernt
• Die Zeit für das Erlernen des 10-Fingersystems konnte auf weniger als 5 Stunden reduziert werden.
• Das Lernen des 10-Fingersystems ist kinderleicht geworden. Kinder in der Volksschule lernen mit diesem System.
• Und das Lernen macht Spaß und wirkt.
Sie möchten sich selbst überzeugen? Dann besuchen Sie den nächsten Kurs oder kontaktieren Sie uns, wenn Sie das Seminar als firmeninternes Training buchen möchten. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!
Gastautor Günther Thaler war als Geschäftsführer eines Reisebüros sowie als Projektmanager bei der Wiederaufbauhilfe in Sri Lanka tätig. Als Vortragender ist er an der Pädagogischen Hochschule in Niederösterreich sowie an den WIFIs in Niederösterreich und Wien im Einsatz. Er begeistert sich u.a. für witzige Wortspiele, spielerische Neugier, Lerntechniken und Mentaltraining.
Tipp Topp Tipp Training – die Kunst des 10-Fingersystems
Das Seminar ist auch als firmeninternes Training buchbar.
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