Mit neuen Familienmitgliedern ändert sich alles – auch die Karriere bleibt davon meist nicht unbetroffen. Immer noch sind es eher die Frauen, die entweder bei der Familienzeit oder dem Job Abstriche machen müssen. Für sie heißt es dann: „Du kannst nicht alles haben, entscheide dich.“ Persönliche Ziele geraten so oft ins Hintertreffen. Was bei der Planung und Umsetzung helfen kann, um die Balance zu halten, erklärte uns die Personalexpertin und Trainerin Parissa Yazdani im Gespräch.

Auf einmal ist alles anders

So heißt es, wenn die Kinder einmal da sind. Das hat beglückende wie auch anstrengende Seiten und kann überfordern. Reflektiert betrachtet: „Es verändert sich viel, weil wir es auch zulassen. Warum? Weil wir einem gesellschaftlich gebildeten Idealbild entsprechen möchten“, weiß Parissa Yazdani, die im WIFI Wien ein Seminar zum Thema „Kind und Karriere“ leitet. Der Druck nimmt vor allem für Frauen zu, in allen Bereichen allzeit erreichbar, belastbar und präsent zu sein. „So steigt unsere eigene Erwartungshaltung, in jeder Rolle 100 % zu geben“, so die Expertin. Plötzlich ist man damit konfrontiert, bisherige Karriereziele der realen Situation gegenüberzustellen. Oft mit dem Ergebnis: Das geht sich nicht aus. „Irgendwo hat man meist doch Einbußen, sich das einzugestehen, ist schon ein erster wichtiger Schritt.“

Klare Entscheidung hilft Stress zu vermeiden

Trainerin Yazdani rät dazu, bereits bei der Familienplanung die eigenen Prioritäten im Leben genau zu hinterfragen und klar zu definieren, wie diese jetzt aussehen. Es sei legitim zu sagen, „Ich möchte mehr Zeit mit den Kindern verbringen und mache dafür Karrierekompromisse“, ebenso wie „Ich möchte meine Karriere weiter intensiv verfolgen und weiß meine Kinder gut versorgt von anderen“. „Sie haben es jederzeit in der Hand, sich für das eine oder andere zu entscheiden oder auch beides gleichzeitig anzustreben. Man sollte aber die Konsequenzen kennen, sich damit auseinandersetzen, so weit wie möglich planen und nach Lösungen suchen“, so Yazdani. Dazu zählt natürlich, die Fakten und mögliche Auswirkungen mit dem/der Partner/-in und dem persönlichen Umfeld gut abzuklären und „so möglichst gemeinsam am familienspezifischen Lebens-, Betreuungs- und Karrieremodell zu schmieden“, so Yazdani.

Balance zwischen Beruf und Familie

63 % der Frauen wünschen sich die richtige Balance zwischen Karriere und Familienleben, zeigt eine LinkedIn-Studie, die auf academics.at zitiert wird. Dafür gibt es aber keine Patentlösung! Jeder Tag ist anders, daher wenig kalkulierbar. Flexibilität und Agilität sind wichtige Qualitäten, sobald man Kinder und Arbeit miteinander vereinbaren möchte. „Man sollte sich selbst zugestehen: Wenn nicht alles nach Plan läuft, ist das okay. Sie finden andere Lösungen und Wege. Wenn Sie sich selbst dafür strafen, lähmt das“, weiß die Trainerin. Sie erklärt weiter: „Gerade Frauen, die erst kurz Mutter sind, fühlen sich manchmal unzulänglich, weil sie in mehrerer Hinsicht gefordert sind, ihre Frau zu stehen‘. Rasch entsteht subjektiv der Eindruck, es niemandem recht machen zu können.“ Je nach Umfeld und Kontext prallen unterschiedliche Rollenerwartungshaltungen aufeinander. Aussagen aus dem privaten Umfeld wie „Du kannst keinen Arbeitsstress haben, du bist ja eh nur Teilzeit“ oder in der Arbeit: „Du hast eh andere Prioritäten und musst dich nicht so voll reinhängen“, sind keine Seltenheit.

Die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Im Training gehe es nach der Expertin oft darum, sich die Konsequenzen vor Augen zu führen und auch zu erarbeiten, was wichtige Vorbereitungsschritte sind, um die Phase vor der Karenz und des Wiedereintritts gut zu organisieren. „Es hilft, für sich selbst ein ‚Worst Case‘-Szenario durchzuspielen, um zu erfahren, ‚Worauf bin ich bereit zu verzichten?‘, aber auch ‚Was ist mein Zugewinn?‘ sowie ‚Wie kommuniziere ich das dem/der Arbeitgeber/-in? und in weiterer Folge auch ‚Welche Lösungsmöglichkeiten oder Ideen kann ich aktiv vorschlagen?‘“, so die Trainerin. „Ziel im WIFI-Seminar ist es, nach einer Bestandsaufnahme zu erarbeiten, wie man die Lücke zwischen der aktuellen Situation und den eigenen Zielen und Wünschen schließen kann“, so die Expertin. „In den Trainings wird auch geklärt, dass man sich nicht der Illusion hingeben darf, zu denken, man komme nach der Karenz zurück und alles sei gleich wie vorher.“ Die Personalistin rät dazu, keine Scheu davor zu haben, die eigenen Wünsche, Ideen, Pläne oder geeignete Tätigkeiten mit dem/der Arbeitgeber/-in zu besprechen. „Falsche Annahmen sind hier fehl am Platz, es hilft beiden Seiten, wenn rechtzeitig der Rahmen abgesteckt werden kann. Unternehmen sind für Proaktivität meist dankbar! Erst so eröffnet sich beiden Seiten überhaupt eine Chance, gemeinsame Szenarien zu entwickeln, die für beide möglich und zielführend sind.“

Alternative Wege für die Vereinbarkeit von Kind und Karriere

Aber auch die Suche nach einer Alternativlösung ist für Väter wie für Mütter ein Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. Oft helfe die Phase der Klärung und Neuorientierung auch dabei, Mut und Selbstvertrauen zu fassen für neue Lebensmodelle. „Sich selbst auf den Wiedereinstieg z.B. mit einer Weiterbildung vorzubereiten, aktiv zu bleiben oder über andere Möglichkeiten nachzudenken – das sind definitiv wichtige Schritte, die nicht zuletzt neue Blickwinkel eröffnen!“ Auch der Gedanke, sich selbstständig zu machen – vielleicht sogar im Familienverbund – spielt hier immer öfter eine Rolle. Erfahrungsberichten von WIFI-Absolventen/-innen zufolge sind Familiengründung und der Weg in die Selbstständigkeit zwar viel Arbeit und kosten Energie, oft hören wir aber, dass sie mehr an Zeitflexibilität gewinnen. Und ganz wichtig: Meist machen sie dann das, was ihre wahre Leidenschaft ist.

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