Warum man von Rechtfertigungen absehen sollte und wie man stattdessen auf verbale Angriffe reagieren kann, erklärt Schlagfertigkeitsprofi Michael Traindt in seinem Gastbeitrag.

Sie kennen vielleicht die Situation, dass wir persönlich beleidigt werden oder einen „blöden Witz“ ertragen müssen und uns dann in der Situation nichts einfällt. Dies ist ein Hauptgrund für viele Menschen, sich mit Schlagfertigkeit zu beschäftigen. „Ich möchte nie wieder sprachlos sein und nie um eine kluge Reaktion verlegen sein.“ Eine, leider wenig hilfreiche, Strategie ist die Rechtfertigung. Wenn mich jemand persönlich beleidigt, dann bin ich nicht sprachlos, sondern dann rechtfertige ich mich so lange, bis der Angreifer oder die Angreiferin erkennt, dass die Beleidigung jeder sachlichen Grundlage entbehrt und damit löst sich alles in Wohlgefallen auf. In der Theorie klingt dies sogar gut, aber in der Praxis schnappt die Rechtfertigungsfalle zu und ich bleibe in dieser schwierigen Gesprächssituation länger gefangen als es nötig wäre.

Ein konkretes Bespiel habe ich bei der dies jährigen Viennale, dem Vienna International Film Festival, auf der Kinoleinwand gesehen. Im Schweizer Spielfilm „Das Mädchen und die Spinne“ von Ramon und Silvan Zürcher kam es zu folgender Szene, die ich nun aus meiner Erinnerung zusammenfasse. Eine eloquente Frau und ein introvertierter Mann – beide Mitte 20 – sitzen bei einer Wohnungsparty gegenüber. Sie meint mit ruhiger Stimme „Ich weiß genau, warum du zur Party gekommen bist. Du wolltest mich sehen. Du magst mich.“ Er wirkt sehr schüchtern, widerspricht aber nicht. Die junge Frau weiter mit kühlem Gesichtsausdruck: „Ich mag dich aber nicht.“

Der Student schweigt weiter und versucht, sich die Zurückweisung nicht anmerken zu lassen. In diesem Moment landet eine Fliege neben dem Mann und die Frau meint: „Aber die Fliege mag dich. Und diese Fliege werde ich nun töten.“ Sie schlägt mit der flachen Hand auf die Fliege, bringt sie um und blickt dem Mann dann wie der tief in die Augen mit dem Worten: „Jetzt mag dich hier keiner mehr!“. Der junge Mann bleibt stumm und sagt kein Wort.

Liebe Leserin, lieber Leser, nehmen wir nun an, dass wir gemeinsam diesen verletzten Partygast beraten sollen. Er ist offensichtlich sprachlos und würde gerne etwas sagen, damit ihn die Frau, die er offensichtlich mag, interessant findet. Wären wir nicht sehr grausam, wenn wir ihm in dieser Filmszene eine Rechtfertigung empfehlen würden? „Lieber unglücklicher Jüngling, erzähle ihr doch, dass du sehr wohl liebenswürdig bist. Erst heute Morgen hast du einer älteren Dame die Einkäufe in den vierten Stock hochgetragen. Sag ihr das doch!“

Und angenommen er würde unseren Ratschlag, der mehr Schlag als Rat ist, annehmen und zur jungen Dame sagen: „Mich mag sehr wohl jemand. Heute habe ich meiner 80-jährigen Nachbarin die Einkäufe hochgetragen. Sie schätzt und mag mich.“ Und darauf muss er sich anhören: „Naja, dann kennst du ja deine Zielgruppe. Leider sind auf der Party keine 80-jährigen.“

Die Rechtfertigung verfehlt ihr Ziel, wenn es um echte Zurückweisungen oder persönliche Angriffe geht. Nicht nur, dass das Ziel verfehlt wird, meist wird die Situation noch schlimmer, wie die fiktive Weiterentwicklung der Filmszene zeigt. Egal, was dieser junge Mann als Rechtfertigung anführen würde, warum er es doch wert ist, gemocht zu werden, die „Angreiferin“ könnte ihn mit Leichtigkeit weiter verletzen. Denn wer rechtfertigt, verliert!

Ich habe diese Filmszene gewählt, da sie aus meiner Sicht zeigt, dass es aus purem Selbstschutz besser ist, hier tatsächlich sprachlos zu sein oder zumindest nicht mit Rechtfertigungen um Respekt, Wertschätzung oder sogar Zuneigung zu „betteln“. Ist ein Gespräch an diesem Punkt angelangt, ist es besser es zu beenden oder im beruflichen Kontext zu vertagen. Eine Rechtfertigung macht es sicherlich nur noch schlimmer, und zwar für den Angegriffenen selbst. Eine Lösung ist ohnehin nicht mehr in Sicht, weder auf der Party im Film noch im Meeting oder einer Verhandlung.

Rechtfertigung versus Entschuldigung

Laut Duden ist eine Rechtfertigung „etwas gegen einen Einwand, Vorwurf verteidigen“ oder „etwas als berechtigt hinstellen“. Und in dieser Minimaldefinition steckt auch bereits drinnen, dass ich sehr wohl die Notwendigkeit der Erhöhung des Marketingbudgets oder Personaleinsparungen rechtfertigen kann, nur aus Sicht der Schlagfertigkeit niemals mein Alter, mein Geschlecht, meine Herkunft oder wie in der Filmszene meinen Anspruch mit Respekt und Wertschätzung behandelt zu werden.

Warum sollte ich mich für mein Alter rechtfertigen, wenn der Angriff kommt „für eine Führungsposition sind Sie noch viel zu jung“ oder der blöde Spruch „für eine Frau können Sie bereits ganz gut Autofahren“. Wollen wir in diesen Situationen über unser Alter reden oder rechtfertigend argumentieren, warum das Geschlecht beim Autofahren keine Rolle spielt? Die klare Botschaft an den Sender kann nur sein „Reden wir über meine Kompetenz und nicht über mein Alter. Gibt es Fragen zu meiner Präsentation und meiner Vorstellungen zur Zukunft unseres Unternehmens?“ Ähnliches gilt für den blöden Autofahrerspruch. „Was wollen Sie mir damit sagen?“ Oder wohl noch besser „Ich habe Ihren Kommentar gehört, gehe aber bewusst nicht drauf ein.“ Eine Rechtfertigung ist dann, wenn es wirklich um Schlagfertigkeit geht, niemals hilfreich im Gegensatz zu einer ehrlichen Entschuldigung.

Eine Entschuldigung bezieht sich auf einen tatsächlichen Fehler oder ein falsches Verhalten und ist die Bitte um Verständnis, Nachsicht oder Verzeihung. Sie ist Bestandteil einer höflichen sowie respektvollen Gesprächsführung. Ich erlebe oft, dass Rechtfertigung und Entschuldigung vermischt werden. Ist mir tatsächlich ein Fehler unterlaufen – sei es, dass ich einen Termin vergessen habe oder unpünktlich zu einer Besprechung komme – dann ist es nicht nur respektvoll, sondern auch klug, sich kurz und ehrlich zu entschuldigen.

Wichtig dabei ist es, dass ich mich nicht zusätzlich rechtfertige im Sinne von „Ich entschuldige mich für meine Verspätung, aber der Vorstand hat noch die aktuellen Zahlen von mir gebraucht.“ Mit dem Zusatz mache ich mich wieder angreifbar und eine Reaktion könnte sein „Klar, der Vorstand ist wichtig und wir, deine Kolleginnen und Kollegen, können brav auf dich warten! Gute Einstellung, so kommst du sicher weit, nur Freunde hast du bald keine mehr!“ Eine Entschuldigung, wenn sie ehrlich und echt ist, braucht gerade in heiklen Gesprächssituationen keine Begründung oder Rechtfertigung. Zu spät ist zu spät, auch wenn es gute Gründe dafür geben mag, warum man es nicht zeitgerecht geschafft hat.

Grenzen und Klarheit

Der Tipp für die Praxis ist einerseits seine Grenzen zu definieren: Was darf man zu mir sagen und was nicht mehr? Und diese Grenzen gilt es dann mit Respekt und trotzdem mit Bestimmtheit zu ziehen. Wenn ich über mein Alter nicht in jedem zweiten Meeting reden möchte, dann tue ich es nicht mehr. Mir ist klar, dass dies einfach gesagt bzw. geschrieben und oft schwerer getan ist, aber es ist die innere Haltung, die meine Kommunikation und damit auch meine persönlichen Grenzen deutlich macht. Und genau dies gilt auch für das Thema dieses Artikels „die Rechtfertigung“. Wofür möchte ich mich rechtfertigen im Sinne von für etwas einsetzen oder sogar für ein bestimmtes Ziel kämpfen, wie etwa die Budgetmittel für ein Projekt oder einen Büroumbau? Und wofür rechtfertige ich mich nicht, wie mein Alter, mein Geschlecht oder meine Herkunft.

Gastautor Michael Traindt ist Autor, Coach und Trainer. Als Schlagfertigkeits- und Auftrittstrainer bereitet er Menschen auf schwierige Gespräche und heikle Verhandlungen vor.
Hinweis: Dieser Artikel wurde in BILDUNGaktuell erstveröffentlicht.

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