Sollen finanzielle Entscheidungen nicht nur aus dem Bauch heraus getroffen werden, ist die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) gefragt. Als wesentlicher Bestandteil des internen Rechnungswesens ist sie bestens dazu geeignet, für die Zukunft rational abgeleitete, entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt Dr. Stefan Bogensberger anhand eines konkreten Beispiels.

Die KLR wird meist dem Controlling zugeordnet und befasst sich mit Fragestellungen wie z.B. Preisober- und Untergrenzen, optimalen Produktions- und Absatzprogrammen, Make-or-buy-Entscheidungen sowie mit Mindestabsatz- und Umsatzgrößen. Dabei eignet sie sich nicht nur dazu, so wie die Buchhaltung die Vergangenheit zu analysieren, sondern bildet auch eine fundierte Grundlage, um Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Das macht sie nicht nur für Unternehmen relevant. Auch Privatpersonen können Nutzen aus der KLR ziehen – insbesondere, wenn knappe Ressourcen zur Optimierung der eigenen Ziele eingesetzt werden sollen.

Schon die Kenntnis von Grundbegriffen hilft – zum Beispiel bei der Kommunikation mit Banken, Bauunternehmen, Arbeitgeber:innen und Co. Wer bereits fortgeschrittene Kenntnisse aufweist, kann eigene Berechnungsmodelle zur Hilfe bei Entscheidungen heranziehen. Wie das konkret aussehen kann, wird anhand des folgenden Beispiels* gezeigt.

Praxisbeispiel: Immobilien-Finanzierung

Nehmen wir an, es geht um die Frage, ob eine Immobilie gekauft oder gemietet werden soll. Ein Berechnungsmodell hilft bei der rationalen Entscheidungsfindung und dem Vergleich der beiden Optionen.

Folgende Entscheidungskriterien sind zu berücksichtigen:

Dauer messbar
Sicherheitsdenken nicht messbar
Finanzierung kalkulierbar
Kosten rechenbar

 

Als Entscheidungsgrundlage lässt sich hierfür nun die Kostenrechnung einsetzen. Dabei bietet sich die Anwendung des TCO-Modells (= Total Cost of Ownership, d. h. Product Life Cycle Costing aus der Konsumentensicht) an. Das hört sich zunächst vielleicht kompliziert an – ist es aber nicht!

Zunächst wird der Preis für den Kauf der Wohnung – inklusive aller Kosten für Instandhaltung, Hausverwaltung und Versicherung – erfasst und in der Folge den Mietzahlungen über die Jahre des Berechnungszeitraums gegenübergestellt. Einfach ausgedrückt: Man betrachtet die Kosten für das Wohnen aus Sicht der Mieter:innen und aus Sicht der Eigentümer:innen.

Die Rahmenbedingungen

Eigentum

  • Als üblicher Finanzierungszeitraum werden 30 Jahre angenommen
  • Der Kaufpreis der Wohnung beträgt 750.000,00 Euro, 20 % des Kaufpreises sind durch Eigenkapital gedeckt. Es entstehen Nebenkosten (Notar, Grunderwerbssteuer, Gebühren) von 75.750,00 Euro.
  • Die erforderliche Fremdfinanzierung beträgt somit 675.750,00 und ergibt mit 2 % (sollte aber mindestens der Inflationsrate entsprechen, also derzeit um einiges mehr) jährlichem Zinssatz eine gleichmäßige Rate in der Höhe von 30.172,00 p. a. als Annuität (d.h. inkl. Tilgungs- und Zinsanteile) über die geplante Laufzeit.
  • Der Aufwand für Instandhaltung, Hausverwaltung, Versicherung wird mit 174.565,00 Euro für 30 Jahre berechnet.

Miete

  • Die Miete würde 1.600,00 Euro monatlich betragen.
  • Es wird eine durchschnittliche Mietpreissteigerungsrate von 3,6 % angesetzt.

Das Ergebnis

Der Wert der Eigentumswohnung, verglichen mit den Mietzahlungen, ergibt in diesem Beispiel für den Eigentümer nach 25 Jahren einen Mehrwert von 43.000,00 Euro, aber nach 30 Jahren ein Plus von 232.000,00 Euro. Es zeigt sich in dieser Modellrechnung eindeutig, dass der Vorteil für den/die Eigentümer:in mit zunehmender Laufzeit wächst. Das detaillierte Berechnungsmodell dazu sowie zu weiteren kostenbasierten Entscheidungsrechnungen wird in den WIFI-Kostenrechnungskursen beispielhaft für unterschiedliche Szenarien durchgerechnet.

Bei der Berechnung sind der Kaufpreis, die Kaufnebenkosten, das Eigenkapital, die Finanzierungsstruktur, die Betriebskosten, die Wert- und Mietpreisentwicklung und die Vermögensbildung berücksichtigt. Natürlich können sich die Rahmenbedingen wie Laufzeit, Zinssatz, Wertsteigerung etc. jährlich ändern und diese Werte müssen in den Berechnungen aktualisiert werden. Dennoch ist die Entscheidungsgrundlage eindeutig gegeben.

Eine wichtige Erkenntnis in dieser Modellberechnung ist die Feststellung der durchschnittlichen Wertsteigerungsrate, welche grundsätzlich auf dem Immobilienpreisindex basiert, jedoch aufgrund von individuellen Präferenzen bei Immobilien und regionalen Besonderheiten von diesem Richtwert abweichen kann. Wenn eine hohe Wertsteigerungsrate zu erwarten ist und die Finanzierung möglich ist, dann ist Eigentum eindeutig von Vorteil. Allerdings gibt es für die Wertsteigerung auch externe Rahmenbedingungen, die man bedenken muss: Auf lange Zeit ist zum Beispiel nie absehbar, wie sich die gute Lage einer Wohnung entwickelt – etwa, wenn in der Umgebung ungünstige bauliche Maßnahmen durchgeführt werden. Und: Eine solche Entscheidung ist natürlich immer auch eine persönliche, die nicht alleine durch Zahlenergebnisse getroffen wird.

Gastautor Dr. Stefan Bogensberger, Kursmanagement Buchhaltung und Bilanzbuchhaltung, studierte Rechnungswesen an der WU Wien und kennt durch seine langjährige Tätigkeit für Hochschulen und Unternehmen die Herausforderungen an das Rechnungswesen im wissenschaftlichen und berufspraktischen Kontext.​
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* Vgl. Farrokhnia, N.: Kauf- oder Mietentscheidung bei Wohnimmobilien anhand des Total Cost of Ownership (TCO)-Konzepts, Wien 2015