„Wo gehobelt wird, fallen Späne“, sagt schon ein altes Sprichwort. Und das gilt natürlich nicht nur für die Holzverarbeitung, sondern für jeden Job: „Wo gearbeitet wird, passieren Fehler!“ Wie man souverän damit umgeht, erklärt DI (FH) Ulrich Vogl, Experte für Fehlerkultur, in seinem Gastbeitrag.

Jede und jeder kennt das und weiß aus eigener mehr oder weniger leidvoller Erfahrung: Fehler sind nicht nur unerwünscht und unangenehm, sie kosten auch Zeit, Geld und Nerven. Trotzdem passieren sie jederzeit und überall, Führungskräften ebenso wie Mitarbeitern. Doch wie geht man damit souverän um? Wie schafft man es, Fehler ordentlich zu bewältigen und am Ende sogar noch einen Nutzen daraus zu generieren?

Um hier etwas voran zu kommen, ist es hilfreich, sich mit zwei wesentlichen Fragen zum Thema Fehler auseinanderzusetzen: Was ist überhaupt ein Fehler? Und: Wie entsteht ein Fehler?

Für die Fragestellung „Was ist ein Fehler?“ lohnt ein Blick in die „Mutter aller Qualitätsnormen“ – die international akzeptierte ISO9000, in der Begriffe und Grundsätze für ein Qualitätsmanagementsystem beschrieben sind. Hier ist der Begriff „Fehler“ als „Nichterfüllung einer Anforderung“ definiert. Und diese Definition beinhaltet zwei Aspekte: Der erste – auf den wir typischerweise fokussiert sind – ist die Nichterfüllung unserer Erwartungshaltung, und der zweite ist die tatsächliche Anforderung. Bei dieser differenzierten Betrachtung wird schnell klar: Nur wenn die Anforderung klar und rechtzeitig gestellt wurde, und auch richtig kommuniziert und verstanden wurde, kann man erwarten, dass diese auch fehlerfrei erfüllt wird.

Prüfen Sie daher als erstes – bevor Sie das Urteil „Fehler“ fällen: War die Anforderung eindeutig, unmissverständlich und vollständig? Wenn nun ein Fehler entdeckt wurde, ist für einen konstruktiven Umgang sowohl mit dem Fehler als auch den Beteiligten – Fehlerentdecker, Fehlermelder und vor allem dem Fehlerverursacher – folgende Erkenntnis bezüglich der Fehlerentstehung essenziell: Der Fehler wurde nicht absichtlich gemacht, sondern passierte unabsichtlich!

Wir verwenden sehr oft und ganz selbstverständlich Formulierungen wie „Ich habe / Du hast / Die haben einen Fehler gemacht!“. Doch das ist nicht wirklich korrekt: Denn „machen“ im eigentlichen Wortsinn ist ein absichtliches „Herstellen, Produzieren, Anfertigen, Ausführen, Erledigen“. Wir machen unsere Arbeit. Ein Fehler dagegen passiert uns: Er geschieht einfach, er ereignet sich, er unterläuft uns – und das stets unabsichtlich! Mit diesem Bewusstsein, dieser Grundhaltung wird der Einstieg in jede Fehlerkommunikation einfacher – auch wenn es sich um Ihren eigenen Fehler handelt, den Sie gerade entdeckt haben.

Zu einem souveränen Umgang mit Fehlern im Job gehört im nächsten Schritt dann auch die zuverlässige, umgehende und offene Kommunikation jedes entdeckten Fehlers. Denn nur wenn erkannte Fehler schnell berichtet werden, kann die Eskalation der Fehlerfolgekosten im Zaum gehalten werden.

Melden Sie jeden entdeckten Fehler unverzüglich. Fokussieren Sie dabei nicht auf die Person, sondern die Sache! Für einen solchen offenen Umgang mit Fehlern ist jedoch eine gute Unternehmenskultur nicht nur hilfreich, sondern Voraussetzung. Nur in einem Klima des Vertrauens, der Transparenz und der Wertschätzung fällt es wirklich leicht, Fehler zu berichten.

Seien Sie bei der Entgegennahme einer Fehlermeldung als Führungskraft – aber auch als Kollegin oder Kollege – besonnen, sachbezogen und konstruktiv. Dann ist es entscheidend, nicht emotional, sondern sachlich und angemessen auf den Fehler zu reagieren. Dafür hilft eine gemeinsame Bewertung der Kritikalität des Fehlers und seiner Auswirkungen durch die betroffenen Prozesspartner. Auf dieser Grundlage kann die passende Vorgehensweise für die Fehlerbewältigung festgelegt werden.

Bewerten Sie gemeinsam mit den betroffenen Prozesspartnern die Kritikalität und die Auswirkungen des Fehlers. Legen Sie gemeinsam die weitere Vorgehensweise zur Problemlösung fest. Die Fehlerabstellung sollte nicht einem vermeintlichen „Schuldigen“ allein aufgebürdet werden. Vielmehr wird für eine erfolgreiche Problemlösung ein möglichst kleines, aber kompetentes Team benötigt. Bedenken Sie beim Management der Fehlerbewältigung: Es geht nicht um Schuldigensuche und Bestrafung, sondern um Verbesserung. Es gilt, gemeinsam Ursachen und Lösungen zu finden. In einem professionellen Problemlösungsprozess wird das Team nun stets zuerst das Problem genau analysieren. Hier gilt es, alle relevanten Fakten zusammenzutragen: Was genau ist wie betroffen? Welche Anforderung wurde konkret wie nicht erfüllt? Wo genau, wann und wie oft ist der Fehler passiert?

Damit kann man sich den Ursachen zuwenden. Diese tiefgehende Beschäftigung mit den Ursachen – in der Regel sind es mehrere – ist zwingende Voraussetzung für eine nachhaltig wirksame Abstellung: Warum konnte das passieren? Wie konnte das geschehen? Und warum wurde der Fehler nicht früher entdeckt? Mit diesen Erkenntnissen kann dann die Lösung entwickelt werden: Was wird wie dauerhaft verändert, damit diese Ursachen nicht mehr auftreten können?

Natürlich muss die Lösung dann auch vollständig umgesetzt werden. Und um sicher zu gehen, dass der Fehler nun wirklich nicht mehr auftritt, muss nach einer angemessenen Beobachtungszeit nochmals die Wirksamkeit der eingeführten Maßnahmen kritisch überprüft und gegebenenfalls nachgebessert werden.

Was jetzt noch fehlt, ist die erfolgreiche Kommunikation der erarbeiteten Fehlererkenntnisse. Und zwar an alle Nachbarteams, Kolleginnen und Kollegen, in deren Verantwortungsbereich dieser Fehler auch potenziell auftreten könnte.

Informieren Sie alle potenziell Betroffenen über Problem, Ursachen und erfolgreiche Lösung – ganz im Sinne einer Success Story. Mit dieser zweiten Fehlerkommunikation wird das Lernen aus Fehlern ermöglicht und aktive Fehlervermeidung betrieben.

Gastautor Dipl. Ing. (FH) Ulrich Vogl beschäftigt sich seit 2006 hauptberuflich mit Fehlerkultur, Risikominderung und professioneller Problemlösung. Seit 2012 ist er Geschäftsführer von fehlerQultur.net und als freier Berater für Fehlerkultur und Qualitätsmethoden tätig. Er etablierte z.B. eine neue Fehlerkultur in einem international tätigen Hightech-Konzern über alle Bereiche und Ebenen hinweg – vom Vorstand bis zur Werkstatt.

Bildcredits: © Tierney-stock.adobe.com (Titel), © Fabian Vogl (Porträt)