Manchmal können Konflikte nicht eigenständig aus der Welt geschafft werden. Dann braucht es professionelle Hilfe in Form einer Mediation. Wie das funktioniert und ob Mediation bei Bossing und Mobbing helfen kann, verrät Dr. Silke Mader.

Frau Dr. Mader, wie vermitteln Sie als Mediatorin zwischen zerstrittenen Parteien?

Zu vermitteln bedeutet, neutral zu bleiben und das Gespräch mittels Techniken und Methoden zu moderieren. Zuerst prüfe ich, ob die Voraussetzungen für eine Mediation überhaupt gegeben sind.

Welche Voraussetzungen sind das?

Ob die Streitparteien an einer Lösung interessiert sind und ob sie diese eigenverantwortlich erzielen wollen. Nachdem ich dann eine Arbeitsvereinbarung zwischen den Konfliktparteien und mir erstellt habe, bemühe ich mich, das Konfliktthema möglichst umfangreich zu hinterfragen und zu verstehen.

Wie gehen Sie da vor?

Die Konfliktparteien schildern ihre Sichtweisen, Motive, Standpunkte und in weiterer Folge auch ihre Gefühle und die dahinterliegenden Interessen und Bedürfnisse. Im Laufe dieses Prozesses wird es für die Konfliktparteien immer besser möglich, die Perspektive der anderen Person(en) – zumindest teilweise – nachzuvollziehen.

Warum ist das Nachvollziehen der Perspektive wichtig?

Dies ermöglicht es in weiterer Folge den Konfliktparteien, wieder Verständnis füreinander zu gewinnen und Vertrauen zueinander aufzubauen. Erst dann frage ich nach Lösungsansätzen und unterstütze bei der Ausverhandlung. Ziel ist es, dass Lösungsvorschläge ausgewählt werden, mit denen alle Streitparteien einverstanden sind. Es gilt also, dabei zu unterstützen, einen bestmöglichen Konsens zu erzielen.

Kann Mediation bei allen Konflikten helfen?

Mediation stößt an ihre Grenzen, wenn die Interessen oder Bedürfnisse der involvierten Personen allzu unterschiedlich sind. Das könnten zum Beispiel unterschiedliche Weltanschauungen sein.

Bei sehr stark divergierenden Werten oder Weltbildern kann aber dennoch an einem gegenseitigen Verständnis über die Sichtweise des anderen/der anderen gearbeitet werden. Es steht dann am Ende des Weges kein inhaltlicher Konsens, sondern eine gewisse Toleranz für die Sichtweise des anderen/der anderen. Wichtig ist dabei zu wissen, dass mit Toleranz noch lange keine Akzeptanz erreicht wurde!

Bossing und Mobbing sind oft keine „klassischen” Konflikte, sondern es geht um Macht bzw. um mangelndes Selbstbewusstsein. Kann Mediation hier helfen?

Eine Mediation bietet Raum, die Absicht der „Machtausübung” zu hinterfragen. Geht es darum, Macht im Unternehmen konstruktiv einzusetzen – Führungskräfte haben zum Beispiel Macht, um etwas voranzutreiben und Veränderungen zu ermöglichen – oder sind es eher destruktive „Machtspielchen“, wie zum Beispiel Intrigen oder Machtdemonstrationen? Trifft ersteres zu, so kann Mediation meist rasch zu einem besseren gegenseitigen Verständnis und somit auch zu einer besseren Zusammenarbeit führen.

Im zweiten Fall gestaltet sich der Weg zu einer ernsthaften Lösungsfindung schwieriger. Ist die Person, die Machtspielchen spielt, nicht an einer ernsthaften Lösungsfindung interessiert, kann der betroffenen Person ein individuelles Konflikttraining über den Umgang mit „MachtspielerInnen“ gute Dienste leisten, um dabei nicht unter die Räder zu kommen.

Wann sollte man am besten mit einer Mediation beginnen?

Je weniger verhärtet die gegnerischen Fronten sind, umso einfacher und schneller ist es möglich, im Zuge einer Mediation zu einer Lösung zu kommen.

Dabei ist wichtig, dass die Konfliktparteien an einer Lösung interessiert sind und bereit sind, alle konfliktrelevanten Informationen offen und ehrlich auf den Tisch zu legen. Zudem sollten sie selbst die Verantwortung für die Findung einer Lösung übernehmen und mit den besprochenen Themen vertraulich umgehen.

Was passiert, wenn eine Konfliktpartei sich einigen möchte, die andere aber meint: „Wir sind ja im Recht, wozu sollen wir uns also einigen?“

Dies ist keine Seltenheit zu Beginn eines Mediationsprozesses. Der/Die MediatorIn stellt schnell klar, dass es bei einer Mediation nicht um Recht und Unrecht bzw. Schuld und Unschuld geht. Es geht darum, dass am Ende zwei GewinnerInnen stehen.

Dr. Silke Mader ist Unternehmensberaterin und eingetragene Mediatorin sowie Expertin im Bereich Energie- und Klimapolitik. Sie leitet am WIFI Wien die Ausbildung zum/zur MediatorIn/KonfliktmanagerIn.

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