Mit einer 180 Jahre alten Technologie werden uns Elektroautos buchstäblich in die Zukunft führen. In ähnlicher Weise wird ein mehr als 80 Jahre altes Motivationskonzept von Unternehmen und Führungskräften wiederentdeckt, um heutige und künftige Herausforderungen zu meistern.

Kostensenkung, Zeitdruck, MitbewerberInnen, Kundenanforderungen − trotz dieser Belastungen soll eine Führungskraft effektiv bleiben und MitarbeiterInnen zu Höchstleistungen motivieren. Gleichzeitig soll die Belegschaft bis ins hohe Alter gesund und leistungsfähig bleiben. Wie kann man menschenwürdig und nachhaltig führen und gleichzeitig selbstbewusst und leistungsorientiert bleiben? Der Wiener Psychiater Viktor E. Frankl hat gezeigt, dass auch in schwierigsten Situationen ein persönlicher Sinn gefunden werden kann. Führungskräfte sollten daher die Auswirkungen einer sinnvollen Arbeit auf Motivation, Leistung und Gesundheit kennen, um individuelle Sinnerfüllung zu ermöglichen.

Das Streben nach Glück macht keinen Sinn

Viktor Frankl hat gezeigt, dass das existenzielle Sinn-Bedürfnis des Menschen viel stärker ist als das Bedürfnis nach Geld, Macht, Spaß oder Selbstverwirklichung. Er ging noch einen Schritt weiter und sagte provokant: „Das Streben nach Glück ist unmöglich. Der Mensch sucht nicht nach Glück, sondern nach einem Grund, um glücklich zu sein.“ Glück, Freude und Zufriedenheit sind nicht Voraussetzung, sondern Ergebnis von Sinnerfüllung. Dies gilt nicht nur im Privatleben, sondern auch im Beruf, und zwar für Führungskräfte und Mitarbeitende. Frankl stellte bereits vor 80 Jahren einen Zusammenhang zwischen persönlicher Sinnverwirklichung und deren gesundheitlichen Auswirkungen her. Heute wird er durch eine Reihe von wissenschaftlichen Studien bestätigt. Die deutsche Gesundheitskasse AOK hat dazu einen 600-seitigen Studienbericht über den Zusammenhang zwischen Sinn und Gesundheit in der Arbeit erstellt, und Frankl wird gleich auf der ersten Seite zitiert (AOK Fehlzeitenreport 2018).

Viele Wege führen zum Sinn

Sinn kann allerdings nicht vom Management vorgegeben, gestiftet oder angeordnet werden. Führungskräfte sollten vielmehr Rahmenbedingungen schaffen, die sinnerfülltes Arbeiten ermöglichen. Dazu genügt es nicht, den Mitarbeitenden den Zweck des Unternehmens zu erklären. Menschen müssen ihren persönlichen, individuellen Beitrag und dessen Auswirkung als sinnvoll erkennen. Darüber hinaus sollten die positiven Aspekte wertgeschätzt werden, um unsere Arbeit als sinnvoll zu erkennen. Wir neigen dazu, berufliche Vorzüge als selbstverständlich zu betrachten, aber das sind sie nicht. Weiters haben Zugehörigkeit und Zusammenarbeit einen großen Einfluss darauf, ob die Arbeit als sinnerfüllt erlebt wird oder nicht. Und gerade da kann jede/-r einzelne MitarbeiterIn einen wirksamen Beitrag leisten. Betriebliche Gesundheitsförderung und Burnout-Prävention liegen nämlich nicht nur in der Verantwortung des Managements. Ein/-e einzelne/-r MitarbeiterIn kann durch andauerndes, sinnwidriges Verhalten die Gesundheit der KollegInnen beeinträchtigen.

Es kommt auf die innere Einstellung an

Und selbst wenn man all das erfolglos versucht hat, bleibt unsere innere Einstellung als letzte Gestaltungsmöglichkeit. Gerade das macht Frankls Sinnlehre auch angesichts schwierigster, unabänderlicher Rahmenbedingungen robust und zuverlässig. Anstelle der naheliegenden Frage „Warum ich?“ sollten wir uns dann fragen: „Wozu fordert mich das heraus?“ Oder noch besser aufhören zu fragen und anfangen zu antworten. So wie Frankl betonte: „Das Leben stellt uns Fragen, und wir sollen antworten, und somit die Ver-antwort-ung für unser Leben übernehmen.“ Durch eine Veränderung meiner Einstellung kann ich sogar in Situationen, in denen nichts anderes mehr zu gestalten ist, einen persönlichen Sinn verwirklichen.

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Sinn-erfüllt führen und arbeiten

Dr. Harald Pichler war nach seinem Biochemie-Studium an der TU Wien 15 Jahre lang Führungskraft in Forschung und Industrie. Heute ist er Leiter des Schwerpunkts „Wirtschaft.Arbeit. Sinn“ am Viktor Frankl Zentrum und wendet seit mehr als 20 Jahren die Lehre Viktor E. Frankls im Berufs- und Führungskontext an.

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