Tiere haben oft eine positive Wirkung auf Menschen. Diese reicht von der Normalisierung des Blutdrucks bis hin zur Verminderung von Angst und Stress. Welche Tiere sich für welche Therapie eignen, verrät Andrea Wiesner im Interview.

Frau Wiesner, was genau bedeutet „tiergestützte Therapie“?

Tiergestützte Therapie ist ein sehr weitreichender Begriff und umfasst alle tiergestützten Interventionen, die in einem therapeutischen Setting von TherapeutInnen durchgeführt werden. Es gibt aber auch noch die Bereiche tiergestützte Pädagogik, Aktivitäten und Fördermaßnahmen, die zwar keine „Therapie“ im herkömmlichen Sinn darstellen, aber dennoch Wohlbefinden und eine Verbesserung der Lebensqualität bewirken können oder auch bildungsfördernde Elemente beinhalten.

Wie ist die therapeutische Wirkung von Tieren?

Es gibt einige Erklärungsansätze, welche die positive Wirkung von Tieren auf Menschen erklären. Der bedeutendste im Zusammenhang – beispielsweise mit Weidetieren – ist die Tatsache, dass ruhende oder grasende Tiere Gefahrlosigkeit und Sicherheit vermitteln. Solange eine Herde entspannt ist, droht auch uns keine Gefahr. Dieses archaische Wissen ist in uns Menschen tief verankert.

Und wie kann der Kontakt zum Tier helfen?

Unser Blutdruck sinkt. Wenn wir den Tieren dann noch liebevoll zugeneigt sind, diese streicheln, berühren, mit ihnen spielen oder auch einfach nur beobachten, hat dies eine Aktivierung unseres Oxytocins zu Folge. Oxytocin wird umgangssprachlich als Kuschelhormon bezeichnet und ist wichtig, um eine innere Bindung herzustellen.

Ist dieser Effekt auch bei Tieren zu beobachten?

Interessanterweise geschieht Oxytocin-Ausschüttung auf beiden Seiten, auch das Tier genießt Zuwendung und entspannt sich, vorausgesetzt der Kontakt ist für beide Seiten freiwillig und gewollt. Tiere sind in diesem Sinne Bindungspartner. Ihre positive Wirkung auf uns Menschen kann sich nur entfalten, wenn eine vertrauensvolle Basis vorhanden ist. Für Menschen, die beispielsweise Probleme haben, anderen zu vertrauen, kann über die Bindung zum Tier eine Brücke zum Therapeuten/zur Therapeutin und damit auch zu anderen Menschen geschlagen werden.

Welche Tiere eignen sich für welche Therapien?

Für tiergestützte Einsätze in Institutionen sind Besuchsdienste mit Hunden und Kleintieren am einfachsten zu realisieren. Diese Tiere fördern die Kommunikation unter Menschen, bieten Nähe an, wie beispielsweise in Senioreneinrichtungen. Die Tiere werten nicht und nehmen die Menschen an, so wie sie sind. Über Füttern, Pflegen und Streicheln erfahren sich bedürftige Menschen oft als „Versorgende“, was wiederum ein Gefühl der Selbstkompetenz erzeugt. Dies ist ein wichtiger Grundstein, um sich wohlzufühlen. Pferde kommen vermehrt im Bereich der Körpertherapien zum Einsatz. Weide- und Nutztiere wirken oft aufgrund der naturnahen Umgebung vor allem entspannend auf Geist und Körper.

Sie sind Lehrgangsleiterin für den Lehrgang „Fachkraft für tiergestützte Arbeit und Therapiebegleitung“ am WIFI Wien. Was sind die Voraussetzungen für diese Ausbildung?

Die Voraussetzung ist ein persönliches Gespräch und/oder die Teilnahme an der Informationsveranstaltung. Grundsätzlich richtet sich der Lehrgang vor allem an Menschen aus sozialen, beratenden, pädagogischen Bereichen, er steht aber auch Quereinsteigern offen.

Welche Kompetenzen sollte man mitbringen?

Günstig ist Erfahrung im Umgang mit Menschen und Tieren. Die Bereitschaft, sich auf Selbsterfahrung einzulassen und auf ein aktives Miteinander sind wichtige Aspekte.

Wie ist die Ausbildung aufgebaut?

Die Ausbildung beinhaltet zum einen Theorieblöcke und praktische Übungen am WIFI Wien, zum anderen Praxistage und Exkursionen. Die Ausbildungsinhalte sind praxisbezogen und es wird viel Wert auf Erfahrungslernen gelegt. Viele Themen werden in der Gruppe und gemeinsam erarbeitet und reflektiert, es gibt auch Aufgaben für daheim.

Wie sind die Berufsaussichten?

Tiergestützte Arbeit erfreut sich großer Beliebtheit und wird zunehmend angefragt. Die Ausübung erfolgt zumeist im Rahmen einer Selbstständigkeit oder auch im Rahmen der beruflichen Ausübung einer pädagogischen, beratenden oder sozialen Tätigkeit. Aber auch in der Freizeitpädagogik werden tiergestützte Angebote vermehrt genutzt, wie zum Beispiel Tiertrekkings für Familien.

Andrea Wiesner ist dipl. Gesundheits- und Krankenschwester, geprüfte Fachkraft für tiergestützte Therapie und Fördermaßnahmen, Montessori-Pädagogin und Tiertrainerin. Zudem ist sie Lehrgangsleiterin für den Lehrgang „Fachkraft für tiergestützte Arbeit und Therapiebegleitung“ am WIFI Wien.

Bildcredits: © FCSCAFEINE/Shutterstock.com (Titel), © Andrea Wiesner (Porträt)