Kennt Ihr Team den Zusammenhang mit der Gesamtstrategie? Wurden vielleicht Ziele vereinbart, die mitunter widersprüchlich, von dem/der MitarbeiterIn nicht in Eigenregie erreichbar oder etwa gar nicht messbar sind? In solchen und ähnlichen Situationen leidet nicht nur die Ergebniserreichung, sondern auch das Commitment. Als Folge wissen MitarbeiterInnen nicht, was ihr Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg ist. Oder es wird gegeneinander statt miteinander in Richtung Ziel gearbeitet, weil Einzelpersonen oder Teams nicht voneinander wissen woran gearbeitet wird bzw. was davon erreicht wurde. Gute Gründe, mal über das Funktionieren von Zielvereinbarungen nachzudenken und vielleicht etwas Neues auszuprobieren: Von Objectives and Key Results (OKR)

Führungsaufgaben

Überlebensfähigkeit in einem unsicheren und widersprüchlichen Unternehmensumfeld zu sichern, ist heute die vordringlichste Führungsaufgabe. Einmal im Jahr stattfindende Zielvereinbarungsgespräche zwischen Führungskraft und MitarbeiterIn tragen den komplexen und volatilen Anforderungen im Geschäftsleben in keinster Weise mehr Rechnung. Die Überlebensfähigkeit zu steigern, erfordert daher Agilität als jene Fähigkeit von Teams und Organisationen, in einem dynamischen Umfeld flexibel, schnell und anpassungsfähig zu agieren und kontinuierlich zu lernen.

Coopetition

MitarbeiterInnen in Unternehmen fragen sich daher berechtigt, ob und wieweit ihre tägliche Arbeitsleistung auf das große, gemeinsame Ziel des Unternehmens einzahlt. Und wohin die (unternehmerische) Reise denn genau geht. Menschen wollen gemeinsam an einem Strang ziehen und gemeinsam etwas erreichen.

Und: Im 21. Jahrhundert möchten Menschen auch den Gestaltungsrahmen für ihr Schaffen (mit-)gestalten.

Das Bedürfnis nach Transparenz und Coopetition ist mittlerweile gesellschaftsfähig geworden, das zeigt unter anderem der Megatrend „New Work“, den das Zukunftsinstitut beschreibt.

Objectives and Key Results (OKR)

Das Methodenframework „Objectives and Keyresults“ (OKR) adressiert sowohl das Thema der nötigen gemeinsamen Ausrichtung, als auch die Frage nach dem „wie“ der Zusammenarbeit, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.

Mit diesem Anspruch schafft sich OKR ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu anderen Zielvereinbarungs- und Kulturentwicklungsmethoden.

Was sind nun die Besonderheiten von OKRs im Vergleich mit MBOs (Management by Objectives) oder 4DX (The 4 Disciplines of Execution)? OKRs setzen zuallererst ein Leitbild, das z.B. aus einer Vision, aus einer Mission und aus Werten (ev. noch aus einem Purpose) besteht, voraus. Es braucht kein perfektes Leitbild, es braucht so etwas wie eine Grundvereinbarung darüber, wer wir sind und wo wir hingehen. Warum das wichtig ist?

Gemeinsame Ausrichtung

OKRs ermöglichen jeder Tätigkeit jeder MitarbeiterIn eine Zuordnung zu einem höheren Ziel. Umgekehrt betrachtet: Jede Tätigkeit muss in Hinblick auf das Leitbild Sinn machen. Oder die Tätigkeit unterbleibt. Nur das zu tun, was wirklich Sinn macht, lautet die Devise.

OKR sorgen daher zuallererst für eine gemeinsame Ausrichtung (Alignement) der gesamten Organisation entlang des Leitbildes.

Die Objectives stellen die WAS-Frage „Wo will ich hin?“ als (Teil der) Organisation. Die Key Results geben die WIE-Antwort, welche konkreten Schritte ich unternehmen sollte, um das Ziel zu erreichen.

OKRs strukturieren den Wertbeitrag jedes Bereiches, jeder Abteilung und jedes Teams zum Gesamterfolg. Für jeden Teil der Organisation wird der jeweilige Beitrag definiert. Und, analog dem Bedürfnis nach Gestaltungsrahmen, definieren Teams ihren Wertbeitrag auch selber. OKRs gehen also kombiniert vor: top-down UND bottom-up.

Ein wesentlicher Faktor dabei ist, dass die Quantität und die Qualität der Wertbeiträge (= Ziele) für die gesamte Organisation sichtbar gemacht werden. Teamübergreifende Aktivitäten und wichtige Schnittstellen lassen sich dadurch optimal verzahnen. Gearbeitet wird in Abstimmung und nicht gegeneinander.

Ambitionierte Ziele

Eine weitere Besonderheit von OKRs ist die Grundannahme, dass inhaltlich hochgesteckte Ziele in einem begrenzten Zeitrahmen zu einem überdurchschnittlichen Ergebnis führen. Warum?

Im Rahmen von wirklich herausfordernd gestalteten Zielen wird eine Zielerreichung von z.B. 70 % als durchaus positiv interpretiert. OKRs gehen davon aus, dass Menschen durch die inhaltliche Arbeit motiviert sind, einen Wunsch nach stetiger Verbesserung haben und bedienen sich keiner extrinsisch motivierter Bonifikation bei Zielerreichung. Das aus den agilen Methoden bekannte „timeboxing“ findet in quartalsweisen Zielzeiträumen Anwendung. Ein OKR-Zyklus dauert in der Regel also drei Monate und ermöglicht durch die raschen Wiederholungen iterative Anpassungen der OKRs, die besonders bei der Einführung sehr wertvoll sind.

Tipps zur Einführung

Wenngleich Führungskräfte ihre Teams mit OKRs erfolgreicher machen und die Reaktions- und Anpassungsgeschwindigkeit an externe und interne Anforderungen erhöhen, gilt es einige Faktoren bei der Einführung von OKRs im Unternehmen zu berücksichtigen. Jeder Veränderungsprozess benötigt ein klares WARUM als Grundlage. Wie lautet Ihr „Warum“ für eine mögliche OKR-Einführung? Warum ist es gerade jetzt wichtig, mit OKRs zu starten? Die Antworten auf die Fragen geben dem Change Vorhaben Energie, die es brauchen wird, um nachhaltig wirksam zu sein. In hierarchischen Organisationen benötigt es an oberster Stelle der Organisation bzw. der Organisationseinheit jemanden, der den „Raum“ für die Einführung gibt und auch hält. Der OKR-Prozess ist wie eine Pflanze, die sich quartalsweise weiterentwickelt. Sie braucht Raum für Kontinuität, um gesund wachsen zu können. Ein OKR Master bzw. OKR Champion treibt den Prozess und schaut auf die Qualität des Einführungs- bzw. Durchführungsprozesses.

Drei Faktoren erleichtern die Einführung bzw. die fortlaufende Verwendung von OKRs:

  1. Organisationale Reife
    Ein bereits bestehendes Leitbild und Vorerfahrungen mit agilen Methoden sind hilfreich.
  2. Kulturelle Kompetenz
    Das Vorhandensein kultureller Aspekte wie Transparenz, Vertrauen, lebendige Kommunikation, Beteiligung von MitarbeiterInnen und Servant Leadership sind nicht Voraussetzung, erleichtern jedoch die Einführung von OKRs.
  3. Nachhaltigkeitsaspekte
    Es braucht vertikales und horizontales Alignement (konkret beschriebener OKR-Ablauf, der quartalsweise durchgeführt wird), Transparenz ist Bedingung und gleichzeitig Ergebnis, Prozessverständnis für iterative Verbesserungsschleifen (Fähigkeit zum organisationalen Lernen und zur Reflexion).

Bewährt haben sich bei der Einführung kleine Pilotprojekte bzw. Teileinführungen in Organisationseinheiten. In jeder Organisation gibt es Teams, die eine erhöhte Offenheit zum Ausprobieren und ein hohes Maß an Neugierde an Neuem haben. Auch ein erweiterter Zeitraum eines OKR-Zyklus von 3 auf 6 Monate kann zum „Erlernen“ hilfreich sein.

Apropos: Wenn Sie sich fragen, bei welchen Unternehmen Sie an OKRs denken könnten, fallen mir z.B. Google, Zalando, Runtastic, willhaben.at und einige andere erfolgreiche Unternehmen ein!

Gastautor Christian Hauser, MSc, ist Organisationsberater sowie HR- und New-Work-Experte bei BRAINS AND GAMES

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