Zaudern, zögern, vermeiden: Es gibt viele Gründe, bestimmte Arbeiten erst einmal liegen zu lassen. Wer jedoch immer mehr Aufgaben verschiebt, statt sie beherzt zu erledigen, hat auf Dauer ein ernst zu nehmendes Problem. Woran das liegt und was dagegen hilft, verrät WIFI-Trainerin Dr. Heike Linamayer.

Frau Dr. Linamayer, was hindert Menschen daran, ihre Vorhaben umzusetzen?

Vermutlich sind da mehrere Kräfte beteiligt und die Menschen haben auch unterschiedliche Motivationen für ihr Aufschiebeverhalten. Generell ist es für das Gehirn leichter, kurzfristig zu denken, als langfristige Ziele vor Augen zu haben. Darum geben wir auch gerne dem momentanen Drang, etwas nicht zu tun, nach. Manche Menschen haben das besser unter Kontrolle, andere weniger.

In diesem Zusammenhang wird oft von Prokrastination gesprochen. Handelt es sich aber nicht einfach um Trödeln?

„Trödeln“ kennt, glaube ich, jeder Mensch und es ist auch in Ordnung. Wir sind ja nicht immer in einer gleich guten Verfassung. Von Prokrastination, einer Arbeitsstörung, kann man aber dann sprechen, wenn der Arbeitsbeginn öfters ohne ersichtlichen Grund verschoben wird oder es zu häufigen Arbeitsunterbrechungen kommt, sodass eine Fertigstellung der Aufgaben, wenn überhaupt, nur unter starkem Druck zustande kommt. Wenn also das eigene Aufschiebeverhalten immer wieder Stress verursacht, dann sollte man etwas dagegen tun.

Kann das Aufschieben auch eine wichtige Schutzfunktion haben?

Ja, manchmal hat das Aufschieben von Arbeiten auch eine Schutzfunktion, beispielsweise wenn Menschen perfektionistisch sind und Angst haben, bei dieser Agenda zu versagen oder ihren eigenen Ansprüchen nicht genügen zu können. Da ist es für das Gehirn leichter, Gründe zu finden, warum man die Aufgabe nicht beginnen kann, anstatt sich mit dem möglichen Scheitern auseinanderzusetzen. Manchmal widerspricht auch einfach eine Aufgabe unseren eigenen Werten. Wenn wir glauben, zu dieser Aufgabe einfach nicht „Nein“ sagen zu können, kann es eine Strategie des Gehirns sein, diese Aufgabe immer weiter nach hinten zu verschieben, um sich mit dem Wertekonflikt nicht auseinanderzusetzen.

Ist dieses Aufschiebeverhalten nicht auch ein Teil unserer Persönlichkeit?

Im Regelfall gibt es gute Gründe dafür, dass wir Arbeit aufschieben, und diese Gründe liegen oft in der eigenen Persönlichkeit. Manche Menschen sind zum Beispiel sogenannte Erregungstypen und empfinden es als besonderen Nervenkitzel, ihre Aufgaben bis zum Schluss aufzuschieben. Dann laufen sie aber zur Höchstform auf.

Ist das denn ein schlechtes Verhalten?

Prinzipiell ist dieses Verhalten sehr gut, denn solche Menschen können in kurzer Zeit viel erledigen. Wenn jedoch zu viele Deadlines anstehen, dann artet das in ungeheuren Stress aus. Und dieses Verhalten kann dann wiederum zum Burnout führen. Wichtig ist, dass man hinterfragt, warum man immer wieder zum Aufschieben der eigenen Agenden neigt – und ob es den Preis tatsächlich wert ist, den man schlussendlich dafür zahlt. Manchmal zu trödeln ist normal, aber wenn Prokrastination die Arbeit stört und ständig zu Stress führt, muss man auf jeden Fall etwas dagegen unternehmen.

5 Tipps, wie Sie weniger aufschieben und mehr erledigen:


1. Führen Sie eine Aufgabenliste:

Erstens bringt das eine Struktur der offenen Todos und zweitens entsteht durch die Verschriftlichung im Gehirn eine höhere Verbindlichkeit. Gerade am Ende des Tages ist es wichtig, die noch offenen Dinge aufzuschreiben, denn das lässt uns besser entspannen!

2. Minimieren Sie Ablenkungen:

Jede noch so kleine Unterbrechung ist für den Arbeitsflow schlecht. Leider sind wir NICHT multitaskingfähig und brauchen geraume Zeit, um wieder konzentriert beim Thema zu sein. Schalten Sie deshalb auch die E-Mail-Benachrichtigung aus und stellen Sie das Mobiltelefon lautlos. Sie werden sehen: Je weniger Sie abgelenkt werden, desto mehr können Sie auch tatsächlich erledigen!

3. Beachten Sie Ihren persönlichen Leistungsrhythmus:

Wir alle haben Tageszeiten, zu denen wir gut „funktionieren“, und welche, wo es weniger „geht“. Nutzen Sie die „schwächeren“ Zeiten für Routineaufgaben und die „stärkeren“, um Aufgaben zu beginnen, die Sie vielleicht schon etwas vor sich herschieben, oder die Ihnen fordernder erscheinen.

4. Etablieren Sie ein „Beginn-Ritual”:

Es lohnt sich, die Arbeit immer mit dem gleichen Ritual zu beginnen, denn unser Gehirn ist ein „Gewohnheitstier“. Und wenn wir mit Ritualen arbeiten, entstehen daraus irgendwann Automatismen. Für viele, gerade für Freiberufler/-innen, ist auch ein Morgenritual gut, um regelmäßig zum gleichen Zeitpunkt mit der Arbeit zu beginnen.

5. Motive sind ein guter Motivator:

Manchmal wissen wir gar nicht mehr, warum wir bestimmte Dinge tun. Wenn es keinen Grund gibt, sind diese Dinge vielleicht mittlerweile überflüssig. Wenn es doch einen guten Grund gibt, dann sollte man sich den immer wieder vor Augen halten und vor dem geistigen Auge aufmalen. Wer attraktive Ziele vor Augen hat, neigt weniger dazu, die notwendigen Aufgaben immer wieder aufzuschieben.

Dr. Heike Linamayer ist psychologische Beraterin und Gesundheitswissenschaftlerin. Sie führt eine psychologische Praxis für Coaching, Mediation und Supervision in Wien und ist Trainerin im WIFI Wien.

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