Lernen und wachsen: Karriere mit Holz

Franz-Josef Etzelstorfer bereitet am WIFI Wien angehende TischlerInnen auf die außerordentliche Lehrabschlussprüfung vor. Im Interview erzählt er, was die Arbeit mit Holz so besonders macht und wie sich die Branche in den letzten Jahren verändert hat.

Herr Etzelstorfer, Sie sind Tischlermeister und geben Ihr Wissen an angehende Tischler/-innen, die sich auf die Lehrabschlussprüfung vorbereiten, weiter. Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?

Für mich persönlich ist bewegend, das Wachsen des Könnens bei einem Menschen zu sehen. Wahrzunehmen, wie Wissen und Fertigkeiten angenommen und angewendet werden. Der Beruf des Tischlers/der Tischlerin ist ein sehr alter handwerklicher Beruf. Wenn man die Geschichte studiert und mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht man die kunstvollen und einmaligen Arbeiten der früheren HandwerkerInnen. Die Liebe zum Beruf erkennt man beim Betrachten dieser Arbeiten noch heute.

Was macht die Arbeit mit Holz so besonders?

Holz ist ein lebender, nachwachsender Werkstoff. Wer damit arbeitet, spürt die Natur. Jeder Baum hat seine Lebenskarte im Inneren gespeichert: Man sieht, wo er gewachsen ist, welche Naturbelastungen er aushalten musste und wie gut er mit Nährstoffen versorgt wurde. Zudem ist Holz ein Werkstoff der Zukunft. Heute werden bereits mehrgeschoßige Gebäude mit Holz gebaut. Und bei einer geschickten Waldbewirtschaftung haben wir unseren Werkstoff immer zur Verfügung.

Wie hat sich die Branche rund um Holztechnik bzw. das Berufsfeld des Tischlers/der Tischlerin in den letzten Jahren verändert?

Gewaltige Veränderungen brachte die Maschinenbearbeitung. Elektronische Ansteuerung sowie CNC-Bearbeitung gehören heute in größeren Betrieben zum täglichen Arbeitsleben. Mit dem Einzug des Computers in die Arbeitswelt des Tischlers/der Tischlerin ergaben sich weitere Veränderungen in diese Richtung.

Sind damit heute andere Kompetenzen gefragt als früher?

Die geforderten Kompetenzen sind meiner Meinung nach gleich geblieben, nur mit viel mehr Inhalten versehen. Ich bin seit mehr als 50 Jahren in diesem Beruf tätig und glaube, ein gutes und umfangreiches Fachwissen zu besitzen. Trotzdem lerne ich täglich dazu. Auch das ist das Schöne an meinem Beruf.

Welche persönlichen Eigenschaften bzw. Fertigkeiten sollte man für den Beruf mitbringen?

Interesse und Begeisterung, kognitives Können und motorische Geschicklichkeit: Damit stehen dem/der TischlerIn alle Wege in der Berufswelt der Holzbearbeitung offen!

Die voranschreitende Digitalisierung, der zunehmende Einsatz von Maschinen – wie viel Platz bleibt heutzutage noch für Handarbeit?

Realität ist, dass sich die Bearbeitung des Werkstoffs Holz enorm verändert hat. Zum Glück gibt es noch HandwerkerInnen, die bei der Verarbeitung von Holz vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten nutzen: HolzbildhauerInnen, DrechslerInnen oder TischlerInnen mit Kenntnissen der alten Handwerkstechniken wie z.B. Intarsien, Marketerie oder Inkrustieren. In diesen speziellen Bereichen sind Maschinen nur begrenzt einsetzbar. Hier zeigt sich echtes Handwerk.

Sie sind Leiter des Vorbereitungskurses auf die außerordentliche Lehrabschlussprüfung am WIFI Wien. An wen richtet sich die Ausbildung und was sind die inhaltlichen Schwerpunkte?

Der Kurs ist als Ergänzung zu einer begonnenen Tischlerausbildung zu sehen. KandidatInnen, die ihre begonnene Ausbildung unterbrochen haben, können damit ihren Lehrabschluss nachholen. Die Schwerpunkte liegen im handwerklichen, unfallverhütenden und Maschinen bedienenden Bereich. Dazu wird das kognitive Wissen über die Bearbeitung von Holz sowie der fachmathematische Bereich abgedeckt.

Zum Abschluss: Wo hat Ihr Berufsweg seinen Anfang genommen?

Mein Weg in das Tischlerhandwerk begann mit 12 Jahren – mit meinem ersten Möbel, einem Bücherschrank für meine Mutter. Nach Lehre, Meisterprüfung und vielen Jahren der Selbstständigkeit habe ich mich auf der Suche nach einem zweiten Standbein schließlich als Berufsschullehrer beworben. Darin habe ich meine berufliche Erfüllung gefunden.