Führen verschiedene Meinungen zu einem Konflikt, liegt das meist nicht nur an inhaltlichen Differenzen. Vielmehr ist es unsere Art zu kommunizieren, die häufig von Bewertungen und Vorurteilen geprägt ist. Gewaltfreie Kommunikation kann helfen, auch in schwierigen Situationen die richtigen Worte zu finden.
„Du lässt immer deine Socken liegen!“ Ein Satz, den wohl alle kennen. Ausgangspunkt eines konstruktiven Dialogs war er noch selten. Die Socken, oder was man anstelle der Socken sonst einsetzen möchte, bleiben davon meist ohnehin unberührt. Wer sich kritisiert fühlt, neigt eher zu Rechtfertigungen oder einem Gegenangriff. Wird der Aufforderung Folge geleistet, dann nur widerwillig.
Worte wirken
Ob schnell Dahingesagtes oder gut Durchdachtes – Worte wirken. Das wusste auch der amerikanische Psychologe Marshall B. Rosenberg, der Anfang der 60er-Jahre die Methode der Gewaltfreien Kommunikation entwickelte. Die Idee dahinter: Konflikte entstehen, weil wir unsere Bedürfnisse falsch kommunizieren und dazu häufig eine wertende und verurteilende Sprache nutzen. „Befehlen, fordern, drohen, aber auch ungefragt Ratschläge erteilen oder analysieren sind Beispiele sprachlicher Gewalt. In all diesen Fällen verlassen wir dieselbe Augenhöhe und stellen uns über unser Gegenüber. Das führt meist zur Eskalation oder einem Gesprächsabbruch“, weiß Kommunikationsexperte Gerhard Sprinzel.
Offenheit und Empathie
Gewaltfreie Kommunikation kann helfen, uns einerseits ehrlich und offen auszudrücken und auf der anderen Seite empathisch zuzuhören. Wirklich empathisch kann man allerdings nur sein, wenn man frei von vorgefassten Meinungen und Urteilen über den andren/die andere ist. Nicht immer eine leichte Übung. Spätestens, wenn sich die Socken unter dem Couchtisch türmen, fällt es schwer, empathisch zu bleiben und auf die Bedürfnisse des/der anderen einzugehen, anstatt ihm/ihr ein „Geht’s noch?“ an den Kopf zu werfen.
„Damit das nicht passiert, unterstützt uns Gewaltfreie Kommunikation, die Aufmerksamkeit auf die Dinge zu legen, die uns wichtig sind. Es geht darum, sich auf beiden Seiten der eigenen Bedürfnisse bewusst zu werden und – frei von gegenseitigen Urteilen – gemeinsam Wege zu finden, wie diese Bedürfnisse erfüllt werden können“, erklärt Gerhard Sprinzel.
Beobachten, fühlen,
Bedürfnisse äußern, bitten
Doch wie gelingt das? Sprinzel: „Eine konkrete Hilfestellung, um mein Anliegen so zu formulieren, dass mein Gegenüber nicht gleich in Widerstand geht, sind die 4 Schritte im Modell Gewaltfreier Kommunikation.“
Dazu gehören:
- Beobachtung: Wir beschreiben zunächst, welche konkreten Handlungen wir in der aktuellen Situation beobachten.
- Gefühle: In einem nächsten Schritt teilen wir unserem Gegenüber mit, wie wir uns in Verbindung mit dem, was wir beobachten, fühlen.
- Bedürfnisse: Nun erklären wir, welche Bedürfnisse hinter unseren Gefühlen stehen.
- Bitte: Im letzten Schritt bitten wir den anderen/die andere um eine konkrete Handlung.
Indem wir diesen Schritten folgen und einerseits klar ausdrücken, was wir empfinden und andererseits einfühlsam aufnehmen, was im/in der anderen vorgeht, können wir ein respektvolles Konfliktgespräch führen. Das einfache, aber ebenso wirkungsvolle Schema lässt sich dabei übrigens auf konfliktreiche Situationen aller Art anwenden – von Differenzen mit dem/der PartnerIn über Schwierigkeiten im Team bis hin zu diplomatischen Vermittlungen.
Und wie kommuniziert man nun die Sache mit den Socken einfühlsam? Zum Beispiel so: „Wenn ich sehe, dass deine Socken unter dem Couchtisch liegen (Beobachtung), werde ich nervös (Gefühle), weil ich zu Hause mehr Ordnung brauche (Bedürfnis). Ich bitte dich, deine Socken in den Wäschekorb zu legen (Bitte).“ Auch wenn es nicht sicher ist, dass es die Socken tatsächlich in den Wäschekorb schaffen: Die Chancen für ein konstruktives Gespräch, in dem man mehr über die Bedürfnisse des Gegenübers erfährt, steigen auf jeden Fall.
Mag. Gerhard Sprinzel ist Trainer im Bereich Kommunikation, Konfliktbegleitung und Teamentwicklung.
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