Wie funktioniert Kreativität? Kann jeder Mensch kreativ sein? Warum wir für gute Ideen Freiraum brauchen und wie Schreibblockaden gelöst werden können, erklärt Doris Partl, Werbetexterin und Leiterin der Texterklasse der Werbe Akademie, im Interview.

Frau Partl, viele Menschen glauben, dass sie nicht kreativ sind. Ist das wirklich so?

Doris Partl: Ich bin davon überzeugt, dass in jedem von uns kreatives Potenzial schlummert. Es muss manchmal einfach nur geweckt werden. Und je früher man beginnt, dieses Potenzial zu fördern, umso besser ist es. Kleinkinder sind das beste Beispiel: Sie besitzen eine blühende Fantasie und in ihren Gedanken ist alles möglich. Diese Fantasie ist etwas Wunderbares und Kraftvolles und die Voraussetzung für Kreativität. Leider wird diese Fantasie den Kindern in unserer Gesellschaft mit zunehmendem Alter ausgetrieben.

Kann man Kreativität denn wieder lernen?

Man muss Kreativität nicht lernen, man muss sie aufwecken und blühen lassen. Und das macht man am besten, indem man sich inspirieren lässt – durch fantastische Bilder, Geschichten, Filme oder Musik, und natürlich durch Menschen, die einen mitreißen und begeistern.

Das klingt, als ob kreativ sein auch
glücklich machen kann …

Kreativität hat etwas Befreiendes. Man folgt keinen Regeln, sondern lässt sich einfach treiben. Wie heißt es so schön? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und erlaubt ist, was Spaß macht. Die Frage ist doch eher, wie kann man ohne Kreativität überhaupt glücklich sein?

Es heißt oft, dass nur chaotische Menschen kreativ sind. Stimmt das?

Das würde ich so nicht sagen. Um kreativ zu sein, muss man entspannt sein und einen frei­en Kopf haben. Manche brauchen Ordnung, um sich entspannen zu können. Andere wiederum haben einen freien Kopf, obwohl sie von Chaos umgeben sind. Ich würde behaupten, dass Menschen, die ihr Leben strikt durchplanen und sich selbst für alles Regeln auferlegen, sich mit Kreativität tendenziell schwerer tun. Denn Kreativität lässt sich nicht planen.

Wie funktioniert Kreativität? Was benötigen wir, um kreativ arbeiten zu können?

Kreativität braucht Freiraum – genauer gesagt ein Umfeld, das Kreativität zulässt. Also einen Arbeitsplatz, an dem man sich wohlfühlt und Vorgesetzte und ArbeitskollegInnen, die Kreativität fördern, anstatt sie im Keim zu ersticken.

Kreative Prozesse benötigen also Freiraum. Welche Rolle spielt da die Unproduktivität?

Oft kommen einem die besten Ideen, wenn man durch die Welt spaziert oder gemütlich im Grünen sitzt. Ich würde mal sagen, dass ist für viele ArbeitgeberInnen die Definition von Unproduktivität – rumsitzen und scheinbar nichts tun. Kreativität entsteht jedoch im Kopf und nicht am Schreibtisch.

Warum wird das Potenzial der Kreativität so oft unterschätzt?

Viele tun Kreativität leider oft als Spinnerei ab. Ein Großteil unseres Lebens ist getrieben von Zahlen, Daten und Fakten. Für Emotionen, die der Treibstoff für Kreativität sind, bleibt da oft wenig Platz. Entscheidungen im Allgemeinen – und Kaufentscheidungen im Speziellen – werden aber überwiegend auf Basis der Gefühle getroffen. Nicht umsonst gibt es in unserem Wortschatz den Begriff „Entscheidungsfreude“. Wir entscheiden uns nicht für ein Produkt aufgrund seiner Eigenschaften, die sich von ähnlichen Produkten oft kaum unterscheiden, sondern aufgrund des Gefühls, das ein Produkt oder eine Marke in uns weckt. Leider wird die Entscheidung für oder gegen eine Werbekampagne seitens des Marketings aber sehr oft fakten- und datenbasiert getroffen und viel zu selten aus dem Bauch heraus.

Sie sind Leiterin der Texterklasse im Fachlehrgang für Marktkommunikation. Wie gehen Sie mit Schreibblockaden um? Was raten Sie Ihren StudentInnen?

Wenn man ein weißes Blatt bzw. leeres Dokument vor sich hat und einem absolut nichts Gescheites einfällt, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Man füllt es mit jedem Blödsinn, der einem durch den Kopf geht oder man läuft davon. Beides kann sehr effektiv sein. Ist der Blödsinn erst mal locker von der Hand geschrieben, kommen meist bessere Ideen – und das Blatt ist dann auch nicht mehr weiß. Oder man sucht das Weite und macht alles andere, nur nicht an das weiße Blatt denken. Das Schöne ist, dass unser Unterbewusstsein weiterarbeitet und plötzlich kommen die Ideen dann wie von selbst.

Doris Partl ist selbstständige Werbetexterin und leitet die Texterklasse an der Werbe Akademie des WIFI Wien.

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