Ist Erfolg eine Frage des Geschlechts? Zunehmend übernehmen auch Frauen Führungspositionen – dann werden Teams noch erfolgreicher. Aber sie arbeiten vielleicht anders.

Frauen sehen sich in einem oft männerdominierten Arbeitsumfeld meist besonderen Herausforderungen gegenüber: Klartext sprechen, sich durchsetzen, mit Engagement und Kampfgeist verhandeln, gewinnen wollen – das sind für viele Frauen männlich akzentuierte Verhaltensweisen, denen sie wenig abgewinnen können. Heißt das damit, Frauen haben weniger Chancen auf Erfolg?

Sicher nicht – der Erfolg gemischter Teams zeigt das. Denn es geht nur darum, Unterschiede (die laut neuesten Studien oft noch erheblich sind) zu erkennen und in diesem Rahmen die eigenen und vielleicht unterschiedlichen Potenziale sinnvoll zu nutzen und einzusetzen. Das kann man lernen – hier ein paar Ideen von Mag. Michaela Kern, Seminarleiterin im WIFI Management Forum, dazu.

Die eigene Erfolgsdefinition als Grundlage: Ziel oder Wunsch?

Mag. Michaela Kern: „In all meinen Jahren als Trainerin und Coach habe ich oft erlebt, dass nur wenige Menschen eine klare Vorstellung davon haben, was Erfolg für sie persönlich bedeuten könnte. Erfolg misst sich vor allem an der eigenen Freude und Zufriedenheit, etwas erreicht zu haben – und das ist für jeden etwas anderes. Deswegen: Eine konkrete Vorstellung von Erfolg ist Grundvoraussetzung dafür, dass man sein Ziel auch realisieren kann. Ganz wichtig ist die Unterscheidung: Handelt es sich um einen Wunsch, den ich habe, oder ist es mein Ziel? Für Ziele sind wir bereit, uns kraftvoll einzusetzen, zu investieren, zu agieren, zu arbeiten, Risiken einzugehen und gegebenenfalls auch Frustrationen hinzunehmen. Wünsche hingegen sind in unseren Gedanken und Träumen aufgehoben – wir sind nicht bereit, für ihre Realisierung Energie und Strategie aufzuwenden.“

Mit Plan und Herz agieren

„Unlängst habe ich gehört: Männer bringen sich bei den wichtigen Führungseigenschaften Empathie und Intuition weniger ein, setzen aber im Beruf ihre strategischen Kompetenzen viel mehr für sich ein als Frauen. Das hat etwas Wahres, wie ich immer wieder bemerke. Dabei können beide Geschlechter mit Struktur und Plan handeln – sie müssen sich das nur bewusst machen und Strategien zum Erfolg entwickeln. Strategie bedeutet, sich einen Plan für das eigene Vorgehen zu machen und diesen dann auch konsequent und mit Einsatz – Stichwort Fokus – zu verfolgen. Rückschläge inbegriffen!“, erklärt Michaela Kern weiter.

So machen Sie sich stark

Ein Tipp, bevor Sie mit Ihrer Strategiearbeit beginnen: Überlegen Sie, was Sie genau erreichen möchten, und schreiben Sie es idealerweise nieder. Beim Schreiben wird vieles konkreter, klarer. Spielen Sie in Gedanken Ihre gewünschte Erfolgssituation durch und stellen Sie sich Ihre Zielsituation intensiv vor – in Bildern und Farben, Ihren eigenen Worten und mit Geräuschkulisse und Stimmen. Wichtig ist auch, sich mögliche Hindernisse zu veranschaulichen, einen Plan für ihre Überwindung zu entwickeln und diesen wiederum gedanklich auszuprobieren. Zum Beispiel könnte es sein, dass Sie in Ihrem Zielfilm sehen, wie Sie gerade ein schwieriges Gespräch mit einem/-r Kollegen/-in gut meistern. Erleben Sie auch die guten Gefühle, wenn Sie dabei mit Überzeugungskraft und Verständnis agieren, gut ankommen und Klartext sprechen. Sollten Sie Einwände und Widersprüche erwarten, erleben Sie vielleicht in Ihrem „Film“, wie Sie darauf sachlich reagieren und damit sicher zurechtkommen. Sprechen Sie im Selbstdialog Ihre Antworten auch laut aus – zur Übung. So können Sie Ängste abbauen und mit dem oft vorhandenen Schreckgespenst „Wenn ich widerspreche, bin ich weniger beliebt“ besser umgehen. Wenn Sie wollen, optimieren Sie die Situation, bis sie aus Ihrer Sicht so ist, wie Sie sie anstreben. Die Erfahrung zeigt: Starke innere Zielbilder oder gar Filme stärken unsere Persönlichkeit und lassen uns auch mit Hindernissen erfolgreicher umgehen. Sie sind quasi ein Testdurchgang im Trockendock. Solche mentale Übungen ermöglichen uns, eine zuversichtlichere innere Haltung einzunehmen, mit der wir dann auch sehr herausfordernde Situationen besser meistern.

Souverän agieren – sichtbar werden

Ihr Zielbild vor Augen, müssen Sie nur noch Ihre Potenziale nützen, denn das braucht es im modernen digitalen Arbeitsumfeld: sprachliche Flexibilität, Achtsamkeit auf alle im Team, gute Einschätzungs- und Beziehungsfähigkeit, um nur einige Faktoren zu nennen. Ist es Ihre Kommunikationsfähigkeit, Ihre Entscheidungsstärke, Ihre Konfliktkompetenz oder Verhandlungsstärke, die Sie erfolgreich einsetzen? Machen Sie sich diese nicht nur selbst bewusst, sondern gerade als Frau auch für Ihre Umgebung sichtbar. „Wer nicht auffällt, fällt durch“, habe ich einmal gelesen – und das stimmt. In einer Welt der vielen Informationen geht unter, was Standard ist. Um sich zu zeigen, braucht es Mut, ein angemessenes Maß an Risikofreudigkeit und den Willen zum Wettbewerb. Die letzteren Eigenschaften werden eher Männern zugeordnet – aber Frau hat sie auch. Wenn Sie Scheu haben, diese einzusetzen – probieren Sie es Schritt für Schritt aus. Beispiel: Beim nächsten Vortrag setzen Sie sich in die erste Reihe. Probieren Sie das „Vorne“gefühl aus – vielleicht ist es ja aufregend und spannend –, der/die Vortragende jedenfalls wird sich freuen, nicht vor einer leeren ersten Reihe zu sprechen. Melden Sie sich in einer nächsten Sitzung zu Wort und artikulieren Sie Ihre Meinung. Bereiten Sie zumindest drei Fragen für ein Meeting vor und stellen Sie sie. Vielleicht stoßen Sie nicht immer auf Zustimmung (passiert beiden Geschlechtern), aber es ist ein wesentliches Signal, dass Sie mit dabei sind, mitgestalten und mitbestimmen wollen. Beanspruchen Sie unbedingt Redezeit in Diskussionen, bleiben Sie am Wort in heiklen Kommunikationssituationen – zuhören allein reicht für Sichtbarkeit nicht aus. Sprechen Sie klar aus, worum es für Sie geht und was Sie erreichen wollen – man wird es Ihnen danken.

Mut tut gut – trauen Sie sich!

Erfolg muss man wollen, deshalb ist er selten ein Zufall, sondern meist das Ergebnis von viel Willen und Einsatz. Das gilt für alle Disziplinen, ob Sport, Wirtschaft, Kultur, Forschung oder viele mehr. Etwas bewegen, erreichen wollen – das macht nicht zuletzt Freude. Aber Achtung: Wenn Sie erfolgreich im Job sind, binden Sie Ihre Erfolge auch an sich und nicht allein ans Team. Das liegt Frauen meist nicht so sehr wie Männern, hat aber nichts mit angeben zu tun, sondern kommuniziert anderen Ihre Leistung deutlich. Das stärkt das Selbstwertgefühl, macht Kompetenzen sichtbar und setzt ein deutliches Signal. Aufwertend über die eigenen Leistungen zu reden, ist wesentlich, denn wer sich ständig kleinredet, braucht sich nicht zu wundern, dementsprechend auch nur kleine Projekte oder Gehaltserhöhungen zu bekommen. Und last but not least: Wenn Ihnen eine neue Aufgabe oder gar ein interessanter Job angeboten wird und Sie sich nicht sicher sind, ob Sie das alles haben, was dafür verlangt wird, sagen Sie auch als Frau einmal ja. Trauen Sie sich was – Sie können das schon!

Mag. Michaela Kern ist Kommunikations- und Führungsexpertin
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