Rund 80 Personalisten lauschten den Ausführungen von Neurowissenschafter Josef Sawetz über die neuesten Erkenntnisse der Gehirnforschung beim WIFI Business Breakfast.
Wer weiss, wie unser Hirn tickt, ist in der Führungsarbeit einen Schritt voraus. »Das Gehirn ist unser führendes Organ. Wer die zugrunde liegenden Prozesse kennt, kann sie steuern und für sich nutzen«, so der Neurowissenschafter Josef Sawetz. In der Führungsarbeit muss man nichts dem Zufall überlassen. Schon gar nicht die Art, wie man mit den unterschiedlichen Mitarbeitern, Kollegen und Partnern umgeht. Denn die neuesten Erkenntnisse der Neurowissenschaften verraten uns, wie Menschen ticken und welche Führungsmethoden und Kommunikationstechniken bei wem wirken. »Erstmals können wir wissenschaftlich fundiert beurteilen, was wirklich funktioniert und warum«, erklärte Sawetz beim Business Breakfast der WIFI Wien Unternehmensentwicklung.
Tore durch Reize öffnen
»Die Neurowissenschaften zeigen uns, wie Menschen wahrnehmen, Situationen beurteilen und Entscheidungen treffen«, weiß Sawetz. Diese Erkenntnisse erweitern unsere Handlungsspielräume, erhöhen die Präzision in der Führungsarbeit und steigern die Effektivität. Konkret bedeutet das: Weil jeder Mensch auf Schlüsselreize automatisch reagiert und jeder Situation eine Bewertungskategorie zuordnet, müssen es Führungskräfte verstehen, die richtigen Schlüsselreize einzusetzen. Wer das kann, erreicht seine Ziele und ist ein guter Leader. Bestimmte Situationen, Aufgaben oder Personen sind beim Menschen mit spezifischen Emotionen besetzt. »Unser Gehirn verteilt die eingehenden Reize dann in mentale Schubladen«, erklärt der Wissenschafter. Heute würde viel rascher kategorisiert und in Schubladen gesteckt als früher, also müsse man umso mehr die richtigen Reize setzen.
Motivation mit Kalkül
Es laufe immer gleich ab: Zuerst kommt der Reiz, dann die Kategorisierung auf der Lust-Unlust-Achse durch die angesprochene Person und dann folgt die Handlung. Das Geheimnis sei den richtigen Schlüsselreiz so früh wie möglich zu setzen – zum Beispiel beim Aufgabenverteilen. »Wenn das Gesagte beim Mitarbeiter positive Assoziationen hervorruft, gelangt der Reiz auf die Lust-Achse. Der Mitarbeiter geht motiviert an seine Aufgabe heran«, meint der Experte. Da die Unlust-Achse bei allen Menschen länger ist, tendieren wir eher zu negativen Assoziationen. Sawetz gesteht: »Es ist daher eine Herausforderung für Führungskräfte, bei jedem unterschiedlichen Charakter genau die Reize zu erkennen, mit denen die Person motiviert werden kann und sich wertgeschätzt behandelt fühlt.« Dieses Wissen gezielt einzusetzen, erfordere von Führungskräften die Bereitschaft, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen, Zuhören sowie Kenntnisse über die Gehirnfunktionen und Feingefühl.
(V. li. n. re.): Thomas Schmidt (stv. Institutsleiter WIFI Wien); Barbara Haslinger (WIFI Wien Unternehmensentwicklung); Wolfgang Czejka (Fachoptiker); Claudia Schram-Jansen (IBM Österreich, HR Partner Manager); Josef Sawetz (Universität Wien)
Körper und Geist, ein Team
Unsere Gedanken triggern Emotionen. Unsere Emotionen wiederum sind die Basis von Gedanken. Stimmung macht Meinung. So sollte man sich als Führungskraft bewusst sein, dass eine bestimmte Stimmung im Team, auch eine gewisse Meinungsbildung und Einstellung erzeugt. Den höchsten emotionalen Impact verursachen in unserem Gehirn nämlich die Interaktionen mit Menschen und Führung gestaltet dabei die Zukunft anderer. Das bedeutet, dass Führungskräfte sich ihrer großen Verantwortung und ihres Einflusses auf die Entwicklung ihrer Mitarbeiter noch bewusster sein müssten.
Emotionen mit Wirkung
Die emotional besetzten Ziele von Mitarbeitern sind das Arbeitsmaterial von Führungskräften. Eine unserer grundlegendsten Sehnsüchte ist die Sinnsuche – auch in unserem beruflichen Schaffen. »Es ist daher auch Aufgabe der Führungskraft, Sinn zu stiften«, so Sawetz. »Wer die Sehnsüchte seiner Mitarbeiter kennt, kann auch die individuell passenden Tools oder Schlüsselreize einsetzen, um deren Motivation für die Firmenziele nutzbar zu machen.«
Stress blockiert
Werte, Gefühle und Einstellungen lenken unsere Gedanken. Diese haben Auswirkungen auf unsere innere mentale Landschaft und bestimmen unseren Handlungsspielraum. Sobald ein Mensch in Stress gerät, schaltet das Gehirn auf evolutionär alte Gehirnmodule hinunter. Wir handeln dann sehr reflexartig. Auf eine hohe Kapazität unseres Gehirns können wir jedoch nur im ausgeglichenen ruhigen Zustand zugreifen, d. h. Prozesse wie Konzentration, Kreativität, Lernen, praktisches und logisches Denken gelingen uns unter Stress nicht. Die Zukunftsangst ist unsere angeborene Vorsicht. Unsicherheit, Unklarheit und Ambivalenzen aktivieren das Angst-Modul im Gehirn. Wer also leistungsorientierte Mitarbeiter möchte, müsse eben diese Gefühlszustände vermeiden.
Zukunftsgenerator Gehirn
Unser Gehirn schließt permanent aus der Erfahrung auf den nächsten Moment. »Wir sehen durch unser Gedächtnis«, meint Sawetz. Das, was wir tatsächlich wahrnehmen unterliegt dabei häufig Täuschungen. Derartige Verzerrungen kommen von der Urzeit des Menschen und sorgen z. B. dafür, dass wir am Leben bleiben. Beispielsweise gibt uns das Gehirn vor, dass ein Gegner oder eine Gefahr kleiner ist, als in Wirklichkeit oder Größer um dieser auszuweichen. So gibt es z. B. einen Zusammenhang in unserer Wahrnehmung von Körpergröße und Status einer Person. Wir empfinden Menschen mit höherem sozialem Status größer als sie sind.
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Bildcredits: (c) Florian Wieser