Angehende MaturantInnen kennen die Herausforderung. Doch sich für den richtigen Ausbildungsweg zu entscheiden, um damit der beruflichen Zukunft mitunter eine neue Richtung zu geben, ist in keiner Lebensphase einfach. Was bei der Entscheidungsfindung – egal, ob nach der Matura oder mitten im Berufsleben – helfen kann, weiß Mag. Gabriele Srp, Bildungsberaterin im WIFI Wien.
Gabriele Srp, Jugendliche stehen nach der Matura häufig vor der Entscheidung, welches Studium sie wählen sollen. Oft schwingt die Angst mit, die falsche Richtung einzuschlagen, für immer einen Beruf auszuüben, der dann doch keine Freude bereitet. Ist diese Angst berechtigt?
Die Vorstellung, dass der gewählte Beruf viele Jahre lang, gar bis zur Pensionierung, ausgeübt werden muss, ist zwar weitverbreitet, aber nicht unbedingt richtig. Familiäre Umstände, der Wunsch nach Veränderung oder etwa die Lust, Neues zu lernen, verändern die berufliche Situation. Prinzipiell gilt: Eine Berufsentscheidung sollte zumindest für die nächsten 5 – 10 Jahre passend sein – aber keine Entscheidung hat eine lebenslange berufliche Bindung zur Folge.
Und wenn die Entscheidung schwerfällt – weil es beispielsweise so viele Optionen gibt oder man sich noch nicht im Klaren ist, was man will?
Die Entscheidung für eine Ausbildung nach der Matura ist für die wenigsten einfach. Wichtig ist, eine Ausbildung zu wählen, die zu den eigenen Interessen und Fähigkeiten passt. In einem ersten Schritt sollten Jugendliche überlegen, ob die Interessen so stark sind, dass sie sich die nächsten 5 – 6 Jahre hauptsächlich damit beschäftigen möchten.
Was kann bei der Entscheidung helfen?
Viele Ausbildungen oder berufliche Tätigkeiten kann man erst beurteilen, wenn man sie ausprobiert hat. Durch Praktika oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr kann man Erfahrungen sammeln, die die Entscheidung erleichtern. Erste Arbeitserfahrungen bieten eine gute Grundlage und sind für spätere Bewerbungen von Vorteil. Hilfe bieten Beratungsstellen, wie zum Beispiel die Bildungsberatung des WIFI Wien.
Gibt es Stolpersteine, die man bei der Auswahl beachten sollte?
Wichtig ist, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen oder Entscheidungen, die darauf abzielen, Erwartungen anderer zu erfüllen. Vor allem für Jugendliche gilt: Wenn ich einen Beruf ergreifen möchte, weil 2 Freundinnen sich dafür entschieden haben, dann sollte ich das hinterfragen.
Auch wenn man bereits im Berufsleben steht, kann der Wunsch nach Veränderung auftauchen. Fast jede/-r hat sich schon einmal die Frage gestellt, wie es wäre, einen anderen Beruf auszuüben. Woran kann ich erkennen, dass das nicht nur eine Träumerei ist, sondern dass ich mich näher damit auseinandersetzen sollte?
Wenn eine Idee für ein neues berufliches Thema oder Umfeld nicht gleich verworfen wird, sondern einem immer wieder in den Sinn kommt, sollte man diese Idee konkretisieren. Man kann recherchieren, sich mit Menschen, die in diesem Berufsfeld arbeiten, austauschen und die Vor- und Nachteile abwägen. Wenn sich die Idee hält und man trotzdem noch zweifelt, ist eine Beratung sinnvoll.
Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der sich beruflich neu orientieren möchte? Womit sollte der- oder diejenige den Prozess beginnen?
Ich rate immer dazu, Ideen zu verschriftlichen. Sich aufzuschreiben, was am derzeitigen Beruf positiv ist und was ich an der derzeitigen Situation verändern möchte, hilft, die Optionen etwas einzugrenzen und eine Richtung zu erkennen. Wer weiß, welche berufliche Entwicklung seinen Interessen und Vorstellungen entspricht, kann konkret nach möglichen Berufsfeldern Ausschau halten. Berufsberatung kann helfen, die Wünsche zu konkretisieren.
Und was, wenn sich später herausstellt, dass man doch einen falschen Weg eingeschlagen hat?
Auch über Umwege kann man ans Ziel gelangen. Zudem erlangt man auf Umwegen neue Erfahrungen und zusätzliches Wissen – beides kann von persönlichem Nutzen sein. Die bloße Angst davor, sich für das Falsche zu entscheiden, sollte einem jedenfalls nicht im Weg stehen!
Mag. Gabriele Srp ist Psychologin und Bildungsberaterin im WIFI Wien.
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