Altersdiversitätsforscherin Barbara Covarrubias Venegas über die Auswirkungen der Alterung unserer Gesellschaft im organisationalen Kontext und mögliche Ansatzpunkte für Führungskräfte und das Personalmanagement.

Betrachtet man die demografische Entwicklung im Vergleich zwischen Industrieländern und Entwicklungs- bzw. Schwellenländern, zeigen statistische Daten eine stärkere Überalterung in den Industrieländern, wie bspw. Großbritannien, USA, Deutschland, Österreich, Niederlande und Japan, während die Altersstruktur in Entwicklungs- bzw. Schwellenländern, wie bspw. Brasilien, Indien, Mexiko (noch) stärker jugendzentriert ist. Als Industrieland präsentiert sich die Situation in Österreich eben auch mit einem stetig wachsenden Anteil der älteren Bevölkerung.

LEBENSPHASENORIENTIERUNG IM PERSONALMANAGEMENT.
WAS BEDEUTET DAS?

Jutta Rump (2014) beschreibt Lebensphasenorientierung als ein alle Phasen, also vom beruflichen Einstieg bis zum beruflichen Ausstieg, umfassendes Personalmanagement. Klassisches Personalmanagement fokussierte bisher vor allem auf den Zeitraum der ersten 25 Jahre eines Berufslebens (20. bis 45. Lebensjahr). Dies führt nicht selten zum sogenannten Lebensstau. Man muss fast alle beruflichen und privaten Entscheidungen in diesem Zeitraum treffen.

Lebensphasenorientierung bedeutet zudem, dass unterschiedliche private und berufliche Hintergründe, welche die jeweilige Lebensphase kennzeichnen, berücksichtigt werden. Das bedeutet einerseits die Entwicklung und Erhaltung der nachhaltigen Leistungs-und Beschäftigungsfähigkeit aller MitarbeiterInnen als auch die Vereinbarkeit von Lebens- und Berufssituationen sowie den Umgang mit u.a. unterschiedlichen Erwartungs- und Wertehaltungen der Generationen durch eine alternsgerechte Personalpolitik. Zu den Lebensphasen, die es zu berücksichtigen gilt, gehören Partnerschaft, Familie/Kinderbetreuung, Familie/Pflege, Um- und Neuorientierung, Krankheit, Vorbereitung auf den 3. Lebensabschnitt. Die Verknüpfung zwischen betrieblichen Zielen und den Bedürfnissen und Interessen der MitarbeiterInnen bedarf eines Matchings von Berufs- und Lebensphasen. Das Ziel ist die langfristige Bindung der MitarbeiterInnen an das Unternehmen und gleichzeitig die Arbeitgeberattraktivität für potenzielle MitarbeiterInnen zu erhöhen, um damit einen Wettbewerbsvorteil im „War for Talents“ zu haben.

ALTERSBILDER UND ALTERSSTEREOTYPE

Bis in die 70er-Jahre hielt sich in der Wissenschaft aufgrund der biologischen Altersforschung das sogenannte Defizitmodell, denn aus biologischer Sicht fasst der Begriff „Altern“ eine zeitabhängige, irreversible und vorhersagbare Veränderung eines Organismus zusammen, die zu einem fortschreitenden Funktionsverlust und schließlich zum Tod führt. Implizit wurde auch unterstellt, dass ein Zusammenhang zwischen Intelligenz, Reaktionsfähigkeit bzw. Gedächtnis und dem Lebensalter zugrunde legen. Die gerontologische Forschung liefert seit Längerem empirische Befunde, dass die Einschätzung „mit dem Alter nimmt die Leistungsfähigkeit ab“ ein Vorurteil ist. Das Kompetenz-Modell geht davon aus, dass im Alter Kompetenzen durch Training erhalten, durch Lebenserfahrung gesteigert und durch Integration bewahrt werden können. In der Gesellschaft herrscht jedoch weiterhin ein zwar differenziertes, jedoch relativ stereotypes Bild vom Alter und Altern vor, welches die sozialen Interaktionen – auch im Erwerbsleben – maßgeblich beeinflusst. Es steuert sowohl die Informationsverarbeitung und Eindrucksbildung von Menschen als auch deren Verhalten und Erklärung von Verhalten anderer Menschen. Ageism, ein Begriff, welcher von Robert N. Butler bereits im Jahre 1969 geprägt wurde, beschreibt eben diese Neigung, ältere Menschen aufgrund ihres Alters zu diskriminieren. Dass Altersstereotype sich negativ auf das subjektive Erleben der älteren ArbeitnehmerInnen auswirken können und diese die jeweiligen Stereotype auch zum Teil verinnerlichen, konnte bereits mehrfach nachgewiesen werden.

Finnische Längsschnittstudien von Juhani Ilmarinen zeigen, dass mit einer Kombination an Maßnahmen aus individueller Gesundheitsförderung, ergonomischen Maßnahmen und verbessertem Führungsverhalten die Arbeitsbewältigung am besten erhalten bleibt. Insbesondere sei an dieser Stelle nochmals auf die zentrale Funktion der Führungskräfte hingewiesen, denn Anerkennung und Wertschätzung spielen eine bedeutende Rolle. Des Weiteren gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Leistungsbereitschaft älterer ArbeitnehmerInnen sowie weniger Monotonie (respektive mehr Abwechslung in den Tätigkeiten).

FAZIT FÜR DAS PERSONALMANAGEMENT

Personalwirtschaftliche Maßnahmen müssen gezielt auf die verschiedenen Altersgruppen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Werten abgestimmt sein, sollen sie nicht ins Leere Laufen – man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „lebensphasenorientierten Personalpolitik“. So ist bspw. Work-Life-Balance ein für alle Generationen zentrales Thema, allerdings nicht in derselben Ausprägung: Während für den/die junge/-n Schul- oder StudienabsolventIn bspw. die Möglichkeit eines Sabbaticals für einen „All-around-the-World“-Trip besonders interessant ist, würde sich die Jungfamilie stattdessen lieber tatkräftige Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wünschen, im Gegensatz dazu der „Silver Ager“ wiederum die Möglichkeit, stufenweise die Arbeitszeit zu reduzieren, ohne dabei das Unternehmen zu verlassen.

Daraus wird ersichtlich: Nur wer sich der Komplexität der Altersstrukturen stellt und individuell zugeschnittene Maßnahmen anbieten kann, wird letztlich auch im Wettbewerb um den/die beste/-n KandidatIn oder MitarbeiterIn die Nase ganz weit vorne haben. Die Devise „Working smarter, not harder“ wird durch folgendes Zitat von Juhani Ilmarinen (2003) unterstützt: „Produktivität ist nicht vom Alter abhängig, sondern von der Organisation der Tätigkeit.“

Gastautorin Dr. Barbara Covarrubias Venegas ist Forscherin und Lektorin, u.a. zu Altersdiversität und Lebensphasenorientierung.
Bildcredits: © filadendron/iStock (Titel), © Foto Weinwurm (Porträt)
LITERATUR

  • Armutat, Sascha (2009): Lebensereignisorientiertes Personalmanagement. Eine Antwort auf die demografische Herausforderung, DGFP.
  • Bieling, Gisela (2010): Age Inclusion. Gabler Research.
  • Rump, Jutta & Silke Eilers (2014): Lebensphasenorientierte Personalpolitik, Verlag: Springer Gabler.
  • Kunze, Florian; Boehm, Stephan A. & Heike Bruch (2011): Age diversity, age discrimination climate and performance consequences – a cross organizational study, in: Journal of Organizational Behavior; 32, 2, pp. 264-290.
  • Ilmarinen, Juhani (2011): Das Haus der Arbeitsfähigkeit – der finnische Blick auf den demografischen Wandel, Vortragsunterlagen DGB Bildungswerk Konferenz „Den demografischen Wandel sozialpartnerschaftlich gestalten“, Kassel 21. März 2011.
  • Rump, Jutta und Silke Eilers (2013): Die jüngere Generation in einer alternden Arbeitswelt. Baby Boomer versus Generation Y, Verlag: Wissenschaft & Praxis.
  • Smola, Karen Wey und Charlotte D. Sutton (2002): Generational differences: revisiting generational work values for the new millennium, In: Journal of Organizational Behavior, 23, pp. 363–382.