Warum Unternehmenskultur mehr als eine bloße Modeerscheinung ist und wie man sie in einer Organisation erfolgreich etabliert, erklärt Gastautor Mag. Jörg Blunder.

Culture eats Strategy for Breakfast – Dieses Statement, das dem US-amerikanischen Ökonom mit österreichischer Herkunft Peter F. Drucker zugeordnet wird, finden wir in den letzten Jahrzehnten vermehrt als Poster in Büros oder Meeting-Räumen von Geschäftsführungen und in deren Präsentationen wieder. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet es, dass die Kultur einer Organisation, einer Abteilung, eines Teams für die erfolgreiche Umsetzung der Strategie entscheidend ist.

Was bedeutet Unternehmenskultur?

Bezüglich Organisationskultur herrscht in vielen Unternehmen noch der (Irr)Glaube vor, dass es sich lediglich um Initiativen zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit handle. Moderne, wirtschaftlich orientierte Unternehmen zielen jedoch vielmehr darauf ab, Unternehmenskultur als „Vehikel” zu etablieren und zu kultivieren, welches dabei unterstützt, MitarbeiterInnen zu gewinnen, Verantwortung für die Umsetzung der Businessziele zu übernehmen und somit die Zukunft der Organisation sicherzustellen.

Kultur hat eine starke Integrationswirkung nach innen und strahlt gleichzeitig stark nach außen. So zeigen Studien und wissenschaftliche Artikel, die sich mit der Generation Z und den Millennials beschäftigen, dass dem Thema Purpose, also dem Zweck der Organisationen, ein immer wichtiger werdender Stellenwert zukommt.

Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil

In Zeiten von Unsicherheit, Unvorhersehbarkeit und rapider Veränderung, die wir gerade durchleben, spielt Unternehmenskultur eine wichtige Rolle. Die Rolle ist jedoch nicht exponentiell wichtiger geworden als in der Zeit vor Corona.

Die Methoden und Kanäle und die Geschwindigkeit mit der wir reagieren müssen, haben sich jedoch schlagartig verändert. Wenn wir Organisationskultur unter anderem die Rolle zurechnen, ein Umfeld für einen ehrlichen und offenen Dialog (und nicht bloß Information!) zu etablieren, dann ist sie in Zeiten von Krisen noch wichtiger, da damit Klarheit, Sicherheit und somit BuyIn erzeugt werden. Einen offenen Austausch mit allen MitarbeiterInnen über Ausrichtung der Organisation und die getroffenen Aktionen zur Bewältigung der turbulenten Zeiten, in einfacher Sprache und mit einer nahbaren Geschäftsführung und Vorgesetzten, wird somit zum Wettbewerbsvorteil.

Was tun, um Organisationskultur zu etablieren?

Bei der strategischen Arbeit an der Unternehmenskultur können folgende Anregungen für den Start hilfreich sein:

» Kultur existiert immer und überall und wird nicht neu geschaffen … Arbeit an der Entwicklung von Unternehmenskultur ist schwerpunktmäßig Evolution (egal, ob das Unternehmen das 100-jährige Jubiläum feiert oder sich in der Gründungsphase befindet) gepaart mit „revolutionären“ Elementen. Ziel ist es, das „Gute” und auch für die Zukunft Richtige zu schätzen, zu hegen und zu pflegen und gleichzeitig störendes Verhalten zu eliminieren oder für die Zukunft Wichtiges zu etablieren.

» Kultur betrifft alle und jeder/jede spielt eine entscheidende Rolle … So wichtig es ist, eine/-n klare/-n Verantwortliche/-n für die Steuerung der kulturellen Reise (muss nicht zwingend „der/die PersonalerIn” sein!) zu nominieren und ein klares Commitment der Geschäftsführung zu haben, umso wichtiger ist es, alle MitarbeiterInnen aus der Passagier- oder Zuseher-Rolle rauszuholen. Ihnen Vertrauen zu übertragen, Dinge eigenverantwortlich zu machen und gleichzeitig auch die Umsetzung des Vereinbarten einzufordern. Die Frage „Was ist dein Beitrag und wie kann ich dich dabei unterstützen?” wird immer wichtiger.

» „Progress over Perfection” … Kultur ist in ständiger Bewegung, und das erleben wir derzeit tagtäglich. Das Streben nach der perfekten Kultur (gibt es die überhaupt?) muss somit durch den Wunsch, schnelle, greifbare und wirkungsvolle Ergebnisse zu erzielen, abgelöst werden. Ein agiler Mindset und auch eine Kultur, in der dem Machen von Fehlern mit Wertschätzung begegnet wird, unterstützen dabei.

» Kommunikation …. Ein ehrlicher, relevanter und zeitgerechter Austausch mit Vorgesetzten und der Geschäftsführung auf Augenhöhe und in der Sprache der MitarbeiterInnen sind die größten Beschleuniger von Unternehmenskultur. Und das bedarf einem großen Ausmaß an Vertrauen, dass nur mittels authentischem Miteinander aller Ebenen zu erzeugen ist.

Die kulturelle Reise strukturieren

Viele Schritte können sinnvoll gesetzt werden, um Kultur in die Herzen und die Köpfe der MitarbeiterInnen zu begleiten. Vor allem das tagtägliche Leben aller und Vorleben von Führungskräften, was die gewünschte Kultur bedeutet sowie das Zelebrieren von Erfolgen, mögen sie auch noch so klein sein, sind der Treibstoffe für eine erfolgreiche Reise. Auch das klare Bekenntnis der Geschäftsleitung, wie bereits erwähnt, Unternehmenskultur nicht nur bei „schönem” Wetter ins Zentrum des Tuns zu stellen, hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschwindigkeit, die aufgenommen wird und die Anzahl der Menschen, die zu „Follower” werden. Hier exemplarisch zwei Beispiele oder Phasen, in denen eine strategische und geplante Vorgehensweise wichtig sind.

Das Zielbild rechtzeitig festlegen

Startpunkt jeder Reise ist es, zu definieren, welches Ziel man erreichen will und was der Zweck der jeweiligen Reise ist. Genauso verhält es sich auch bei der Arbeit an der Unternehmenskultur. Daher ist es sinnvoll, einen Purpose (sofern noch nicht vorhanden) zu formulieren, der klar und ansprechend beschreibt, wofür das Unternehmen steht. In Zeiten von Krisen, die ja oftmals auch Chancen darstellen können, eignet es sich, den bestehenden Purpose kritisch auf Zeitgerechtigkeit zu durchleuchten und anzupassen.

Die Erarbeitung des „Wofür stehen wir?” oder „Wer sind wir?” ist bereits der erste Schritt, um die Stimmen und Erwartungen von MitarbeiterInnen aller Ebenen und anderer wichtiger Bezugsgruppen einfließen zu lassen. Hier können unterschiedliche Instrumente kombiniert eingesetzt werden.

Sowohl Einzelgespräche oder kurze Fokusgruppen mit Mitarbeitergruppen als auch Interviews mit KundInnen, LieferantInnen oder AufsichtsrätInnen schaffen wertvolle Referenzpunkte. Standardisierte Fragebögen sind eher nur als Unterstützung einzusetzen, da sie oftmals zu wenig auf die Emotionen und Gefühle abzielen und die Kraft der Sprache eine wichtige ist. Geht es bei Kultur ja sehr stark um das Herz und nicht nur um den Kopf!

Für die Formulierung des Purpose Statements und der gewünschten Kultur und Verhaltensweisen empfiehlt es sich, einen guten und vor allem die Vielfalt der Organisation reflektierenden Mix an TeilnehmerInnen zusammenzufassen und mittels kreativen Methoden ein solides Grobgerüst zu erarbeiten. Jede Stimme zählt hier gleich viel und nicht die finale, finale Wortwahl, sondern vielmehr die Qualität der Aussage und die Tonalität werden dabei ins Zentrum gestellt.

Kultur greifbar machen und den Fokus auf Relevanz legen

Der schlagkräftigste Purpose und die „coolsten” Verhaltensweisen werden immer nur neutrale Worthülsen bleiben, wenn’s nicht gelingt, MitarbeiterInnen auf allen Ebenen zur selbstständigen Beantwortung von einer zentralen Frage zu gewinnen. „Was bedeutet ‚Alles beginnt mit mir’ eigentlich konkret?”. Dazu ist es relevant, den richtigen Mix aus Information durch die Geschäftsleitung und vor allem des/der direkten Vorgesetzten über die Zeile der kulturellen Reise mit viel qualitativem Austausch darüber, was den/die einzelne/-n MitarbeiterIn unterstützt und was ihn/sie hemmt, das gewünschte Verhalten auch zu leben. Daher bitte Finger weg von Plakaten und anderen „Werbeartikeln”.

Vielmehr ist es wichtig, Raum zu schaffen, physisch oder virtuell, um Gespräche zu ermöglichen. Vertrauen in die Führungskräfte und Unterstützung ihrer Gespräche, die teilweise auch kritischer sein können, zahlt sich aus. Kontrolle ist hier fehl am Platz.

Zusammenfassend: Die Arbeit an Unternehmenskultur ist kein zeitlich begrenztes Projekt und ist auch nicht von der Unternehmensgröße abhängig. Die Kultur von Unternehmen entwickelt sich, egal, ob gesteuert oder nicht. Die Überleitung in einen Wettbewerbsvorteil kann durch klares Leadership und Strategie viel schneller und besser genutzt werden, und vor allem ist es ein klares Signal für alle MitarbeiterInnen, welchen Stellenwert die Arbeit an der gemeinsamen Zukunft genießt.

WIFI Management
Forum Seminar
Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil

Gastautor Mag. Jörg Blunder war bei Coca-Cola als Vice President Oranizational Culture für die Steuerung der kulturellen Reise von Coca-Cola European Partners verantwortlich. Seit Juli 2020 ist er selbstständiger Culture Futurist und begleitet Unternehmen bei der Gestaltung und Umsetzung von kulturellen Reisen. Zudem hält er Vorträge auf internationalen Kongressen zu den Themen Kultur, Führung und Change Management.

Bildcredits: © NDABCREATIVITY –stock.adobe.com (Titel), © Kai-Bublitz/Coca-Cola European Partners Germany (Porträt)