Gibt es keine medizinischen Einwände, können Heilpflanzen eine wertvolle Hilfe bei sehr vielen Krankheiten sein. Dennoch ist eine kompetente Beratung notwendig. Mag. Ernst Frühmann, Apotheker und Heilkräutercoach, über die Kraft der Heilpflanzen – und welche Heilkräuter man bei sich auf dem Balkon oder im Garten pflanzen kann.

Herr Mag. Frühmann, können Heilkräuter Krankheiten heilen oder nur das Wohlbefinden unterstützen?

Viele Heilpflanzen sind in der Lage, Krankheiten zu lindern oder Heilung zu fördern. Wenn ich die Beseitigung von Blähungen durch Anis, Fenchel oder Kümmel nehme, bedeutet deren Anwendung natürlich auch einen Beitrag zum Wohlbefinden. Ebenso kann mich Ginseng nicht vom Stress im Beruf befreien, aber seine Extrakte können mir Wohlbefinden bringen, da mein Körper den Stressoren besser oder gelassener begegnet. Das sind nur ein paar Beispiele, die aber zeigen, dass beides möglich ist; oft ist es aber auch notwendig, die Ursache auszuschalten und nicht nur das Symptom zu behandeln.

Gibt es denn ein Kraut für alle Fälle?

Die Schafgarbe als Haut-, Frauen-, Magen- und Lebermittel zählt zu den „Tausendsassas“ der Heilkunst. Ich bin aber ein Gegner der universell wirksamen Wunderheiler in der Pflanzenwelt und ebenso der Heilpflanze, die allen Menschen gleich gut hilft. Feinfühligkeit und gute Beobachtung der individuellen Wirksamkeit ist für mich der Weg zur besten Medizin aus dem Pflanzenreich.

Sie sind Apotheker und leiten die Ausbildung zum Heilkräutercoach am WIFI Wien. Was genau macht ein Heilkräutercoach?

Ein wesentliches Ausbildungsziel ist, anderen Menschen in der Natur Heilpflanzen an natürlichen Standorten zu zeigen, ihre Merkmale, die zum sicheren Erkennen notwendig sind, zu vermitteln, Unterschiede zu anderen Arten herauszuarbeiten und sie deutlich von ähnlich aussehenden „Doppelgängern“ abzugrenzen.

Besonders Giftpflanzen müssen sicher erkannt werden, die zwar auch als Arzneipflanzen dienen können, aber im „Hausgebrauch“ durch die geringe therapeutische Breite nicht einsetzbar sind, bzw. durch verlockende Früchte – besonders für Kinder – extrem gefährlich sein können.

Weiters kann die Wirkung oder Wirksamkeit der Pflanzen, die durch diese oder jene Wirkstoffe in der Pflanze zustande kommt, angesprochen und erklärt werden. Daraus ergibt sich auch deren Anwendung in verschiedenen Indikationen oder bei bestimmten Erkrankungen in unterschiedlichen Arzneiformen. Auch hier soll der Heilkräutercoach die Möglichkeit der Tee-Anwendung erläutern können oder er ist außerdem in der Lage andere Arzneiformen als sinnvollere oder wirksamere Lösung zu empfehlen.

Was sind die Voraussetzungen für die Ausbildung zum Heilkräutercoach?

Prinzipiell können alle, die sich mit Heilpflanzen intensiver beschäftigen wollen, diese Ausbildung anstreben. Liebe zur Natur und sich mit Freude auch mit Feinheiten von Pflanzen, Sträuchern oder Bäumen auseinanderzusetzen sind günstige Voraussetzungen, ebenso der Wille für ständige Weiterbildung und Erweiterung des Wissens. Es ist wichtig, auch seinen Weg in der breiten Palette von Heilpflanzen zu finden, kommunikativ zu sein, wenn es um die Weitergabe des Wissens geht, kreativ zu sein, wenn Ideen und deren Umsetzung gefragt sind.

Ein Tipp für unsere LeserInnen: Welche Heilkräuter kann man bei sich auf dem Balkon oder im Garten pflanzen?

Im Garten kann ich großzügiger sein als am Balkon. Nehmen wir ein paar gängige Indikationen, dann wird es für Blase/Niere die Goldrute, das Bruchkraut oder die Große Brennnessel sein. Zur Beruhigung kann ich den Baldrian oder die Melisse gut anpflanzen. Im Bereich Magen/Darm/Galle und Leber gedeiht viel im Garten – von der Kamille über Schafgarbe, Enzian, Pfefferminze, Blutwurz, Artischocke bis zur Mariendistel. Auch im Bereich Erkältung ist im Garten viel möglich: von einem duftenden Lindenbaum über den Schwarzen Holunder, die Hundsrose oder den Salbei bis zum attraktiven Sonnenhut.

 

Mag. Ernst Frühmann ist Apotheker und Heilkräutercoach sowie Leiter der Ausbildung zum geprüften Heilkräutercoach am WIFI Wien.

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