In der Zusammenarbeit entstehen immer wieder Situationen, in denen es aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen oder Prioritäten zu Differenzen kommen kann. Wie Sie als Führungskraft aufkeimende Konflikte erkennen und was Sie dagegen tun können, weiß Gastautorin Eva Weissberg-Musil.

Konflikte gehören einfach zum Leben dazu. Denn jeder Mensch denkt, fühlt und handelt anders, bringt seine Lebensgeschichte und seine Erfahrungen mit, verfolgt individuelle Ideen und Ziele und setzt Prioritäten auf seine Art. Es sind aber weniger die Unterschiede zwischen Menschen Auslöser für Konflikte, sondern die Art und Weise, wie mit diesen Unterschiedlichkeiten umgegangen wird.

Um ein Problem richtig einschätzen zu können, bedarf es einer differenzierten Sichtweise und eines breiten Spektrums an Informationen. Konflikte treten nicht plötzlich auf, sondern entstehen oft aufgrund von Missverständnissen und Fehleinschätzungen. Das offene Ansprechen von unterschiedlichen Meinungen und Zugängen, genaues Zuhören und Nachfragen sind die Rezeptur zur Abwendung von Eskalationen und dem Erarbeiten von gemeinsamen Lösungen.

Kampf oder Flucht

Besonders unter Stress, bei Überforderung oder Ressourcenknappheit sind wir oft nicht mehr in der Lage, konstruktiv und lösungsorientiert vorzugehen. Wir fühlen uns ausgeliefert, hilflos, frustriert oder wütend und es fällt uns schwer, Situationen umsichtig einzuschätzen. Es setzen sich vor allem negative Bewertungen, beispielsweise von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, im Bewusstsein fest und wir schalten in den Kampf- oder Fluchtmodus.

Manche Menschen machen sich Luft, indem sie regelrecht explodieren, Drohungen aussprechen oder Druck auf andere ausüben. Sie stören dadurch die Zusammenarbeit oder Abläufe oder setzen sich über alle Regeln hinweg. Hier ist es leicht, den Konflikt zu erkennen. Wenn Sie als Führungskraft den Überblick bewahren und sich durch das laute Getöse nicht emotionalisieren lassen, können Sie solche „offenen“ oder „heißen“ Konflikte für eine Diskussion nützen, die letztlich zu einer gemeinsamen Problemlösung führen kann.

Schwieriger erkennbar sind „schwelende“ oder „kalte“ Konflikte. Mitarbeiter oder Kollegen ziehen sich zurück, gehen anderen aus dem Weg. Auch sie behindern und blockieren die Zusammenarbeit durch ihre „Abwesenheit“. Sie verstecken sich hinter Formalismen und Regelungen oder äußern sich – oft nur beiläufig – sarkastisch und zynisch. Oft ist den betreffenden Personen der Konflikt gar nicht bewusst, sie reagieren einfach. Hier sind Ihre Sensibilität und Aufmerksamkeit gefragt, um zu erkennen, ob sich ein Konflikt anbahnt oder der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin einfach einen „schlechten Tag“ hat.

Aufkeimende Konflikte

Anzeichen aufkeimender Konflikte können sehr unterschiedlich sein:

  • Sie müssen sich verstärkt um die Einhaltung von Regeln und Anweisungen bemühen und auf festgelegte Verhaltensweisen und Prozesse hinweisen. Das könnte auf Unzufriedenheit der Arbeitnehmer oder fehlende Akzeptanz Ihrer Führungsweise hinweisen.
  • Feedback oder Kritik wird nicht angenommen, sondern ihr vermehrt mit Rechtfertigungen begegnet. Hier kommen Sie in eine „Jaaber-Schleife“, die nirgends hinführt.
  • Im Gegensatz dazu kann auch das Verhalten von Mitarbeitern „streng nach Vorschrift“ Spannungen signalisieren und auf ein gestörtes Kommunikationsverhältnis hinweisen.
  • Das Einnehmen einer Opferrolle kann auch auf Konflikte hindeuten. Sie sind derjenige oder diejenige, die das Problem lösen kann, sie werden als Retter oder Retterin instrumentalisiert. Diese Menschen bieten keine Angriffsfläche und liefern auch keine Informationen für mögliche Lösungen.
  • Wenn Sie vermehrt mit sogenannten „Lappalien“ zu tun bekommen, die von Mitarbeitern nicht mehr selbst gelöst werden, sondern vermehrt zur Entscheidung an Sie zurück delegiert werden, kann das auf persönliche Differenzen zwischen Mitarbeitern und anderen Beteiligten (Lieferanten, Kunden etc.) hindeuten. „Machen Sie das bitte selbst!“, reicht hier aber nicht, eine Klärung der Ursachen und Hintergründe ist wichtig.
  • Übertriebene Freundlichkeit und Schmeicheleien können auch auf einen latenten Konflikt hindeuten. Die Komplimente bitte nicht allzu ernst nehmen – sie haben den Zweck, sie vom eigentlichen Thema abzulenken.
  • Leistungsabfall, sozialer Rückzug oder Anzeichen starker psychischer Belastung erfordern ebenfalls eine schnelle Klärung. Suchen Sie das Gespräch, denn persönliche oder arbeitsinterne Vorkommnisse könnten dahinterstecken. Wenn die Ursachen auf den Tisch kommen, ist die Belastung oft schon merklich reduziert.

Fragen, die Sie sich stellen können, wenn Ihnen solche Symptome oder Signale auffallen, wären etwa: Sind die Prozesse noch sinnvoll? Sind Aufgaben und Kompetenzen klar? Arbeiten wir noch an gemeinsamen Zielen? Gibt es Ungerechtigkeiten in der Aufgabenverteilung? Wie sind die persönlichen Beziehungen in meinem Team? Gibt es genügend Zeit für Updates, sowohl was Beziehungen als auch was sachliche Informationen betrifft?

Aber Achtung! Alle diese Symptome können, müssen aber nicht auf Konflikte hindeuten. Manchmal haben sie auch ganz andere Ursachen, die in der Persönlichkeitsstruktur der Menschen liegen – manche ärgern sich einfach schnell und neigen zu Wutausbrüchen, andere sind prinzipiell eher introvertiert, manche eher zynisch und andere meist freundlich und umgänglich. Der springende Punkt ist die Veränderung – alles, was vom üblichen Verhalten abweicht, kann auf einen aufkeimenden Konflikt hindeuten.

Regeln für konstruktive Konfliktverläufe

Ist der Konflikt evident, können Sie weitere Eskalationen vermeiden, indem Sie mit gutem Beispiel vorangehen. Zeigen Sie Verständnis für die Situation Ihrer Mitarbeiter und lassen Sie sich erklären, wie es dazu gekommen ist. Achten Sie dabei darauf, dass sich niemand auf die Suche nach Schuldigen und Sündenböcken begibt, sondern setzen sie auf kooperative Kommunikation.

Da die Trübung der Wahrnehmungsfähigkeit ein typisches Kennzeichen von eskalierenden Konflikten ist, sollte man Wahrnehmungen und Interpretation von Ereignissen mit einer gesunden Skepsis begegnen. Hinterfragen Sie Aussagen, versuchen Sie allgemein Formuliertes konkret zu machen. Setzen Sie auf objektivierbare Kriterien und regen Sie den Perspektivenwechsel an. Die Bereitschaft, auch andere Meinungen und Sichtweisen zuzulassen, ist ein wichtiger Schritt zur Vermeidung, Deeskalation und Lösung eines Konflikts.

Gastautorin Eva Weissberg-Musil ist eingetragene Mediatorin und systemische Psychotherapeutin. Als Expertin für Konflikt- und Selbstmanagement und für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz unterstützt sie sowohl im Coaching als auch als Seminarleiterin seit vielen Jahren Führungskräfte und High Potentials.

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