Im Rahmen seiner Tätigkeit im Internationalen Management war Mag. Dominik Lindner schon mit einigen schwierigen Situationen konfrontiert. In seinem Gastbeitrag erklärt er, worauf man dabei achten sollte und wie man im Falle einer Krise am besten vorgeht.

Krise ist nicht gleich Krise, aber immer ein Problem. Das besondere an der aktuellen Corona-Krise ist wohl, dass die Bedrohung weltweit für mehr oder weniger alle besteht. Die Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind elementar und haben, so viel lässt sich wohl schon sagen, heftigste Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Für diese Art von Krise fehlt uns in Europa die Blaupause. Jedoch waren Unternehmen schon immer mit schwierigen Situationen konfrontiert. Das kann durch hausgemachte Managementfehler ebenso begründet sein wie durch Naturkatastrophen, die ganze Regionen und Branchen hart treffen. Politische Krisen, Kriege oder Terror können Unternehmen substantiell bedrohen. Währungsturbulenzen oder Bankenkrisen bringen Wirtschaftstreibende in die Bredouille.

In meiner beruflichen Tätigkeit im Internationalen Management war ich mit einigen dieser Szenarien konfrontiert. Die drastische Abwertung der Türkischen Lira, der Ukrainischen Grywna und des polnischen Zloty beschäftigten mich. Die Gezi-Proteste in Istanbul hatten genauso Einfluss auf das Geschäft wie Straßenschlachten und Präsidentenflucht als Folge des Euromaidan in Kiew. Krieg und Sezession auf der Krim und in der Ostukraine schnitten plötzlich Lieferketten, KundInnen und MitarbeiterInnen untereinander ab. Schlüsselpersonal wurde von der Armee rekrutiert. Ein Putschversuch trug auch nicht zur Stabilisierung der Umsätze bei. Dazu kam natürlich auch die eine oder andere unternehmensinterne Krise.

Eines lässt sich aber für alle diese Situationen sagen. Eine Unternehmenskrise schwächt. Die fähigsten MitarbeiterInnen kündigen. Führungskräfte bekommen kalte Füße. Die Liquidität leidet. KundInnen werden nervös. Mitbewerber nützen die Lage aus, um Ihnen zu schaden. Krisen stärken, wenn überhaupt, nur diejenigen die sie überleben. Und der Kampf ums Überleben kann lange dauern. Wenige sind in der glücklichen Lage auf Grund drastisch geänderter Rahmenbedingungen ein plötzlich stark nachgefragtes Produkt oder Dienstleistung anzubieten. Sollten Sie also zur Zeit Anbieter von Schutzmasken oder Desinfektionsmittel sein, hören Sie beruhigt auf weiterzulesen.

Nachfolgend ein paar Hinweise zu Handlungsfeldern und Vorgehensweisen, die ich aus der Erfahrung mehrerer Jahre Praxis weitergeben kann. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder allgemeine Gültigkeit.

1. Gehen Sie dorthin, wo es brennt

Meiner Erfahrung nach geht es in Krisensituationen sehr emotional zu. Ängste von MitarbeiterInnen, KollegInnen und ManagerInnen schaukeln sich auf. Dazu kommt die Faszination am Schrecken gepaart mit Häme und Schadenfreude. Um zu Beginn keine gravierenden Fehleinschätzungen zu treffen, empfehle ich, sich selbst ein Bild zu machen. Informationen aus zweiter oder dritter Hand sind wahrscheinlich schon viel zu verzerrt. In der Krise ist keine Zeit für Ferndiagnosen. Sollte Ihr größtes Problem in der Fertigung in China liegen, fahren Sie dorthin.

2. Lassen Sie sich Zeit

„Wenn Du es eilig hast, gehe langsam.“ Ein Zitat das Konfuzius zugeschrieben wird und viele Kalender schmückt. In Krisenzeiten kann es hilfreich sein, vorausgesetzt man versteht darunter nicht Trödeln. Krisen erfordern rasches und auch effektives Handeln. Um zu wissen, wo man im Unternehmen ansetzen muss, braucht man verlässliche Daten. Management-Reports haben oft die Schwäche, dass sie ein Bild der Vergangenheit zeichnen. Ist die Krise innerhalb des Unternehmens entstanden, sollten Sie auch dessen Berichten misstrauen. Besser der Sache auf den Grund gehen. Daten aus der Buchhaltung, Listen mit Außenständen und eine einfache Liquiditätsplanung sind da möglicherweise verlässlicher. Die Beschäftigung mit diesen Details dauert etwas länger. Sie bekommen aber ein belastbareres Bild der tatsächlichen Lage geliefert. Das ist die Vorrausetzung für die Entwicklung eines sinnvollen Ziels und notwendiger Maßnahmen.

3. Nicht auf die KundInnen vergessen

Geht es einem Unternehmen schlecht, ist es zur Nabelschau verführt. Die Betreuung Ihrer KundInnen muss jedenfalls funktionieren, sonst können Sie vom Krisenmanagement direkt in die Abwicklung wechseln. Der Außendienst muss laufen, Angebote müssen geschrieben, Bestellungen angenommen und Rechnungen erstellt werden. Ich erinnere mich an eine Situation, in der ich selbst Rechnungen in Word schrieb, weil das ERP-System nicht mehr funktionierte.

4. Rücksicht nehmen auf die Lebenssituation Ihrer MitarbeiterInnen

Möglicherweise erleben Sie die Aufgabe als Krisenmanager als sportliche Herausforderung. Eventuell werden Sie auch überdurchschnittlich gut dafür bezahlt. Ihre Mitarbeiter sehen das vielleicht anders. Existenzen müssen gesichert, Kredite bezahlt oder Schulgeld überwiesen werden. Nicht in jedem Land kann man sich auf ein soziales Netz des Staates verlassen. In vielen Kulturen ist die Loyalität zu Unternehmen schwächer ausgeprägt als zu einzelnen Personen. MitarbeiterInnen werden sich gezwungen sehen zu kündigen, weil es um ihr persönliches Überleben geht.

Das alles sollten Sie in Betracht ziehen, weil es wichtig ist, Schlüsselpersonal zu halten. Mit diesen Personen und deren Lage sollten Sie sich rechtzeitig beschäftigen, um keine bösen Überraschungen zu erleben.

5. Verantwortung wahrnehmen

Krise ist nicht unbedingt die Zeit für Partizipation, umfassende Abstimmung und kooperativen Führungsstil. Als ManagerIn in Top-Position können Sie jetzt nicht Verantwortung abgeben. Die Interessenslagen Ihrer MitarbeiterInnen können diametral zu denen des Unternehmens stehen. Sie sollten daher von niemand anderem annehmen, dass er Verantwortung für das Unternehmen übernimmt. Sie dürfen aber den Anspruch erheben, dass Ihre MitarbeiterInnen den Job erledigen und Ihnen ordentliche Unterlagen zur Entscheidungsfindung vorbereiten. Dafür werden sie jedenfalls bezahlt.

6. Fokus auf notwendige und harte Grundsatzentscheidungen

Krisenmanagement ist fast immer mit harten Einschnitten verbunden. Einen Produktionsstandort schließen, Vertriebsgebiete aufgeben oder Personal zu entlassen kann unvermeidlich sein. Fokussieren Sie sich auf diese wesentlichen Entscheidungen mit der notwendigen Konsequenz. Viele, vor allem erfahrene MitarbeiterInnen, werden diese Schritte ohnehin schon antizipiert haben (siehe Punkt 5.). Bleiben Sie an der Umsetzung Ihrer Entscheidungen dran. Möglicherweise entwickelt Ihre Organisation ein enormes kreatives Potenzial, um gewisse KundInnen weiter bedienen zu können, obwohl schon lange kein Deckungsbeitrag mehr erwirtschaftet wird. Liebgewonnene KollegInnen werden trotz Kündigung an Bord gehalten. Sie verschwinden von der Gehaltsliste, nur um wenig später als externe Dienstleister wieder zu kommen.

Sind Ihre Entscheidungen aber breit akzeptiert, dann können Sie sich im Detail auf die Improvisationskunst Ihrer Mannschaft verlassen. Sie können darauf vertrauen, dass Ihre MitarbeiterInnen Teilbereiche des Unternehmens besser managen als Sie. Insbesondere wenn Sie der Landesprache nicht mächtig sind oder z.B. wenig von Qualitätskontrolle verstehen.

7. Kommunikation

Wie in der Managementliteratur ausführlich beschrieben, ist die Kommunikation eine der allerwichtigsten Aufgaben im Krisenmanagement. Im Stil empfiehlt es sich gerade und offen zu sein. Gehen Sie davon aus, dass MitarbeiterInnen in Ihrem Verantwortungsbereich schon längst etwas mitbekommen haben. Eine gedrosselte Produktion oder fehlende Zahlungseingänge spüren ProduktionsmitarbeiterInnen bzw. BuchhalterInnen zuallererst. Kommunizieren Sie so viel wie möglich. Nehmen Sie im internationalen Kontext Rücksicht auf kulturelle Besonderheiten. So kann der Kommunikationsbedarf in z.B. Südeuropa die Anforderungen in Österreich um ein Vielfaches übertreffen. Nehmen Sie Rücksicht auf passende Sprachbilder, um wirksam zu kommunizieren. Diese unterscheiden sich jedoch in verschiedenen Sprachen oft substanziell. Vorsicht beim Ziehen historischer Parallelen. Sie können sich als wahres Minenfeld erweisen. Vermitteln Sie ständig Ihr Ziel und begründen Sie die Notwendigkeit ergriffener Maßnahmen. Nehmen Sie die Zügel in die Hand und steuern Sie die interne und externe Kommunikation in der Krise. Versorgen Sie KundInnen, MitarbeiterInnen und LieferantInnen ausreichend mit Informationen und Neuigkeiten.

Ein letzter Aspekt zum Abschluss. Echte Krisen gehen nicht schnell vorbei. Abhängig davon, wie die Situation entstanden ist, nimmt eine Sanierung Zeit in Anspruch. Geduld, Zähigkeit und Ausdauer sind erfahrungsgemäß hilfreiche Charaktereigenschaften für ManagerInnen bei der Bewältigung.

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Interkulturelle Führungskompetenz

Gastautor Mag. Dominik Lindner hat langjährige Erfahrung im Internationalen Management und ist Experte für Interkulturelles Management in den unterschiedlichsten Ländern. Seit seinem Studium beschäftigen ihn die Herausforderungen wirksamer Führung im interkulturellen Kontext. Diese durfte er auch in vielen Jahren Praxis selbst meistern. Seit 2017 ist er Partner in einer Unternehmensberatung spezialisiert auf Geschäftsmodellentwicklung.

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