Die Einladung zum Fußball-Länderspiel als Dankeschön für die erfolgreiche Zusammenarbeit, die Flasche Wein als Weihnachtspräsent – was dürfen Sie Ihren Kunden/-innen eigentlich schenken, was dürfen Sie selbst annehmen und was gilt als Bestechung? Warum Compliance-Regeln eine Chance und keine Belastung für Unternehmen sind.

Österreich macht Fortschritte im Kampf gegen die Korruption: 32 % der heimischen Manager/-innen halten diese in Österreich für weit verbreitet, so die Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) aus dem Jahr 2017. In den Jahren 2015 bzw. 2013 waren es noch 42 bzw. 46 %. So geben auch rund 80 % der Führungskräfte an, dass sie in keinem Fall zu unethischem Verhalten bereit wären. Allerdings würde sich immer noch jeder Fünfte für seine Karriere regelwidrig verhalten und zu unlauteren Mitteln greifen. „In den Unternehmen gibt es genügend Mitarbeiter/-innen, denen verantwortungsvolles Handeln etwas bedeutet. Sie dürfen damit nur nicht alleine gelassen werden. Compliance muss auf der obersten Führungsebene anfangen, vorgelebt werden und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ins Unternehmen eingebracht werden“, sagt Dr. Andreas Frohner, Partner und Leiter Fraud Investigation & Dispute Services bei EY Österreich.

Compliance als Innovationsmotor

Wirksame Compliance kostet Geld, Zeit und auch personelle Ressourcen. Sich damit auseinanderzusetzen, empfinden viele Führungskräfte oft als mühsam. Dabei kann ein gut strukturiertes Compliance-Management Unternehmen große Vorteile bringen, indem interne Strukturen und Prozesse regelmäßig hinterfragt werden. „Richtig eingesetzt kann Compliance zu Einsparungen, Effizienzsteigerungen und natürlich zur Risikominimierung beitragen. Auch kann es für das Management eine effektive Möglichkeit der Unternehmenssteuerung sein“, so Mag. Stefan Onzek. Er gilt als einer der führenden Wirtschaftsrechts- und Compliance-Management-Experten. Wichtig sei, dass ein gutes Compliance-Management dazu beitrage, die richtige Balance herzustellen, wie einerseits möglichst alle Vorgaben einzuhalten sind, aber anderseits das Unternehmen – auch mit Rücksicht auf dessen Größe, Finanzkraft und Produktivität – nicht durch überbordende Administration überfordert wird, so Mag. Onzek.

Auch KMU brauchen Compliance-Regelungen

Wer glaubt, Compliance sei nur ein Thema für große Unternehmen und internationale Konzerne, täuscht sich, denn auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind betroffen. So kann ab Ende Mai 2018 schon ein Verstoß gegen die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu einem Compliance-Risiko werden. Aber auch Verstöße in den Bereichen Korruptionsprävention, Arbeits- und Steuerrecht können zu enormen Problemen führen. Mag. Onzek: „Zum Beispiel bringen die Sozialen Medien oft Dinge ans Tageslicht, die man ohne eine strukturierte Compliance-Organisation gar nicht vorhersehen kann. Und schließlich kann eine Non-Compliance auch dazu führen, dass Wettbewerber die Behörden auf die Compliance-Probleme ihrer Konkurrenten aufmerksam machen.“

Schwerwiegende Folgen bei Verstößen

Mit welchen Konsequenzen müssen Führungskräfte und Mitarbeiter/-innen rechnen, wenn sie Compliance-Richtlinien missachten? „In erster Linie haftet natürlich die Geschäftsführung in strafrechtlicher Hinsicht für Verstöße gegen Compliance-Vorgaben“, erklärt Mag. Stefan Onzek. „Aber auch Mitarbeiter/-innen sind nicht gänzlich ausgenommen. Sie haften aber – im Vergleich zur Geschäftsführung – eingeschränkt. Ihre Haftung hängt immer auch damit zusammen, welche Position sie ausfüllen, welche Verantwortung sie in ihrem Dienstvertrag übernommen haben und ob sie auch verwaltungsstrafrechtlich haftbar gemacht wurden.“

Führungskräfte haben Vorbildfunktion

Oft reagieren Unternehmen erst, wenn grobe Missstände an die Öffentlichkeit geraten, sodass erst dann – unter Druck – ein Compliance-Management-System eingeführt wird. „Dabei spielt die Vorbildfunktion des Top-Managements die allergrößte Rolle, ohne diese gibt es für die meisten Mitarbeiter/-innen keinen Grund, sich mit Compliance zu beschäftigen“, sagt Mag. Onzek. „Denn wenn sich die Erkenntnis verhärtet hat, dass ich mit gesetzwidrigem Verhalten meine Ziele scheinbar einfacher erreiche und ich in meinem Verhalten durch meine Vorgesetzten bestärkt werde, dann denke ich wahrscheinlich nicht einmal darüber nach, mich zu ändern.“ Das schadet in letzter Konsequenz nicht nur dem Unternehmen, sondern gefährdet letztendlich auch die Arbeitsplätze.

Eine Frage des Gefühls

Viele Unternehmen gehen dazu über, genau festzulegen, welchen Wert Geschenke von Geschäftspartnern/-innen haben dürfen. Das führt oft zur Verunsicherung der Mitarbeiter/-innen. Ist die Flasche Rotwein zu Weihnachten ein Dankeschön für die gute Zusammenarbeit – oder gilt das schon als Bestechung? Mag. Stefan Onzek: „Im Wesentlichen geht es immer um die Beantwortung der Frage: ‚Kann ich mit einem Geschenk Handlungen oder Entscheidungen des/der Beschenkten beeinflussen?‘“ Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wo die Grenze des Erlaubten liegt, sollte man sich einige konkrete Beispiele durchdenken, empfiehlt der Experte. Oft reiche es aber, sich in die Lage des/der jeweils anderen zu versetzen.

Mag. iur. Stefan Onzek, MBL ist Leiter der Stabsstelle Recht der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und Wirtschaftsrechts- und Compliance-Management-Experte sowie Trainer am WIFI Management Forum

 

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